24. November 2023

BAG: Hetzerei über Kollegen in WhatsApp-Gruppe kann Kündigung rechtfertigen

Wer in privaten Chat-Gruppen beleidigende, rassistische oder sexistische Äußerungen über Vorgesetzte oder Kollegen trifft, kann fristlos gekündigt werden. Nicht immer gilt hier der Schutz der vertraulichen Kommunikation. So lautet der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG), das sich erstmals mit der Frage auseinandersetzen musste, ob eine kleine, private WhatsApp-Gruppe als geschützter Raum anzusehen ist, in dem Vertraulichkeit gilt und Beleidigungen ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen geäußert werden können.

Hetzereien über Vorgesetzten in privater WhatsApp-Gruppe

Im betreffenden Fall ging es um eine private WhatsApp-Gruppe von sieben befreundeten Arbeitskollegen, die bei der Fluggesellschaft TUIfly angestellt waren. Im Zentrum des Verfahrens standen Auszüge aus diesem Chat, in dem die Mitglieder über einen Vorgesetzten herzogen. Insbesondere ein Arbeitnehmer äußerte sich in stark beleidigender, rassistischer und sexistischer Weise über den Manager. Teilweise wurde in dem Chat sogar zur Gewalt aufgerufen und mit einem Anschlag gedroht.

Die Nachrichten wurden einem anderen Angestellten gezeigt, der den Chatverlauf kopierte und zunächst dem Betriebsrat weiterleitete. Schließlich gelangte die Angelegenheit zum Personalchef des Unternehmens. Der Arbeitgeber sprach außerordentliche, fristlose Kündigungen gegen einige der Chatmitglieder aus.

Bundesarbeitsgericht hält fristlose Kündigung für gerechtfertigt

Einer der Gekündigten reichte eine Kündigungsschutzklage ein und hatte damit zunächst Erfolg: Die ersten beiden Instanzen gaben der Klage statt. Durch die Revision des Arbeitgebers gelangte der Fall schließlich vor den Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts. Und die Richter entschieden zugunsten des Beklagten: Mitglieder einer privaten Chat-Gruppe könnten keine uneingeschränkte Vertraulichkeit erwarten. Bei rassistischen, sexistischen oder beleidigenden Äußerungen unter Arbeitskollegen in WhatsApp-Gruppen drohe dementsprechend eine außerordentliche Kündigung, wenn die Aussagen öffentlich würden, so das BAG.

Deutschlands höchstes Arbeitsgericht musste sich damit erstmals mit der Frage auseinandersetzen, ob eine kleine WhatsApp-Gruppe einen geschützten, privaten Raum darstellt, in dem absolute Vertraulichkeit gilt. Sprich, ob in diesem Umfeld Beschimpfungen und Beleidigungen ohne arbeitsrechtliche Sanktionen ausgetauscht werden können. Bisher gab es in Deutschland keine einheitliche Rechtsprechung zu ehrverletzenden Äußerungen in geschlossenen Gruppen von Messaging-Diensten.

BAG: Art der Aussagen und Gruppengröße sind ausschlaggebend

Die Erwartung der Vertraulichkeit sei nach Auffassung des Gerichts nur dann berechtigt, wenn die Gruppenmitglieder den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das aber sei sowohl vom Inhalt der Kommunikation als auch von der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe abhängig. Handelt es sich bei den Nachrichten um beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Kollegen oder Vorgesetzte, muss der gekündigte Arbeitnehmer darlegen, warum er erwarten konnte, dass kein anderes Gruppenmitglied den Inhalt an Dritte weitergeben würde. Ob der Schutz der vertraulichen Kommunikation greift, hängt also von der Art der Nachrichten und der Größe bzw. Zusammensetzung der Gruppe ab. Nur im Ausnahmefall könne man also auf den Schutz durch Vertraulichkeit setzen, so das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 24.08.2023 (Az.: 2 AZR 17/23).

Das BAG hat das Berufungsurteil zugunsten des Klägers teilweise aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Hier muss der Kläger nun darlegen, warum er, ausgehend von der Größe der Chatgruppe, der Zusammensetzung, der Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums, dennoch eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.

Wie bei allen Vertragsverhältnissen kommt es auch im Arbeitsrecht darauf an, dass sich alle beteiligten Parteien über ihre Rechte und Pflichten im Klaren sind. In der Anwaltskanzlei Lenné beraten und vertreten wir sowohl Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber in allen Fragen rund um das Arbeitsrecht, Verträge und auch Kündigungsschutzklagen. Gerne stehen wir auch Ihnen zur Seite und beraten Sie zu Ihrem Fall im Zuge eines unverbindlichen, kostenlosen Erstgesprächs.

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von Anna-Lucia Kürn
Anna-Lucia Kürn

Angestellte Rechtsanwältin

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