BAG zu Hinterbliebenenrente: Spätehenklausel ist unzulässig
Eine Klausel, die eine betriebliche Hinterbliebenenversorgung ausschließt, wenn die Ehe nach dem 62. Lebensjahr geschlossen wurde, ist unzulässig. So lautet ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, mit dem die Richter die Rechte von Arbeitnehmern und deren Hinterbliebenen stärken. Die betriebliche Altersversorgung soll nicht nur den Arbeitnehmer selbst im Alter absichern, sondern auch dessen Hinterbliebene.
In dem betreffenden Fall hatte eine Frau gegen den Arbeitgeber ihres Ehemannes geklagt. Das Ehepaar hatte 2005 geheiratet, als der Mann bereits 65 Jahre alt war. Nachdem der Ehemann 2008 verstorben war, forderte die Witwe die betriebliche Hinterbliebenenrente ein. Doch der Arbeitgeber lehnte die Zahlung ab. Er verwies dabei auf eine sog. Spätehenklausel, die einen Rentenanspruch ausschloss, wenn die Eheschließung nach dem 62. Lebensjahr des Arbeitnehmers erfolgte.
Witwe verklagt Arbeitgeber auf Zahlung der Hinterbliebenenrente
Die Klage der Witwe ging zunächst vor das Arbeitsgericht Braunschweig (Az.: 8 Ca 403/15 B), welches zu ihren Gunsten entschied. Das Gericht hielt die Spätehenklausel für unzulässig, da sie einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstelle, indem sie Arbeitnehmer, die nach dem 62. Lebensjahr heirateten, unzulässig benachteilige. Auf die Berufung des Arbeitgebers hin kam der Fall in zweiter Instanz vor das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Az.: 3 Sa 788/16 B). Die Richter hoben das Urteil des AG Braunschweig teilweise auf, da die Klausel ihrer Auffassung nach in einigen Punkten gültig war. Ob die Spätehenklausel allerdings grundsätzlich zulässig sei, blieb strittig.
So landete der Fall schließlich vor dem Bundesarbeitsgericht, welches zugunsten der Witwe urteilte (Az.: 3 AZR 215/18). Die Spätehenklausel in der Versorgungsordnung des Arbeitgebers verstoße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und sei somit unwirksam. Eine Altersgrenze festzulegen, ab der die Ehe eines Arbeitnehmers keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente seitens des Ehepartners mehr begründe, sei rechtlich unzulässig. Die betreffende Klausel stelle somit eine Altersdiskriminierung dar. Demnach müsse der Arbeitgeber die betriebliche Hinterbliebenenrente zahlen.
Spätehenklausel stellt gemäß AGG eine Benachteiligung dar
Gemäß Paragraf 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen ihres Alters benachteiligt werden. Die Spätehenklausel versetze Arbeitnehmer, die nach dem 62. Lebensjahr heiraten, jedoch in eine ungünstigere Lage als solche, deren Eheschließung vor diesem Alter erfolge, so das Gericht. Dies stelle eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Alters dar.
Eine unmittelbare Benachteiligung liege nach Paragraf 3 Abs. 1 AGG dann vor, wenn eine Person wegen eines in Paragraf 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfahre als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Und eine solche Benachteiligung sei nach Auffassung der Richter hier offensichtlich, da die Klausel die Zahlung einer Hinterbliebenenrente nur aufgrund des Alters des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Eheschließung ausschließe. Das BAG räumte zwar ein, dass Altersgrenzen in bestimmten Fällen zulässig sein können, wenn sie auf sachlichen Gründen basieren, doch das sei im vorliegenden Fall nicht gegeben.
BAG: kein Bezug zu betrieblichem Strukturprinzip
Wie das Gericht erklärte, könne eine Altersgrenze in der betrieblichen Altersversorgung dann zulässig sein, wenn sie auf einem sog. betriebsrentenrechtlichen Strukturprinzip beruhe. Ein betriebliches Strukturprinzip sorgt dafür, dass Altersgrenzen oder andere einschränkende Regelungen in der betrieblichen Altersversorgung nachvollziehbar und sachlich gerechtfertigt sind. Gerechtfertigt wäre beispielsweise eine Altersgrenze von 65 Jahren, weil viele Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt regulär in den Ruhestand gehen. Solche Altersgrenzen gelten als gerechtfertigt, weil sie mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Beginn der Altersrente einhergehen.
Die Spätehenklausel hingegen lege das 62. Lebensjahr laut BAG willkürlich fest. Es gebe hier keinerlei Bezug zu einem allgemein anerkannten betrieblichen Strukturprinzip. Dementsprechend stelle die Altersgrenze von 62 keine gerechtfertigte Einschränkung der Hinterbliebenenrente dar. Es sei für das Gericht nicht nachvollziehbar, warum eine nach dem 62. Lebensjahr geschlossene Ehe weniger schutzwürdig sein solle als eine früher eingegangene Ehe.
Spätehenklausel soll Risiko von Versorgungsehen reduzieren
Im Rahmen seiner Urteilsfindung hatte das Bundesarbeitsgericht auch geprüft, ob der Arbeitgeber mit der betreffenden Klausel ein legitimes Ziel verfolgte. Die Beklagte hatte angeführt, dass die Klausel das Risiko von sog. „Versorgungsehen“ minimieren solle. Das heißt, dass Ehen im fortgeschrittenen Alter nur geschlossen werden, um den Ehepartnern der Arbeitnehmer eine Hinterbliebenenrente zu sichern. Doch das stelle nach Auffassung des BAG keine ausreichende Begründung dar.
Zwar sei es ein nachvollziehbares Anliegen von Arbeitgebern, das Risiko von Versorgungsehen zu minimieren. Doch dürfe im Umkehrschluss nicht einfach unterstellt werden, dass es sich bei jeder Ehe, die nach dem 62. Lebensjahr geschlossen wird, um eine reine Versorgungsehe handele. Schließlich würden auch im fortgeschrittenen Alter Ehen aus emotionalen Gründen geschlossen. Und das Festlegen einer pauschalen Altersgrenze sei keine angemessene Lösung, um das Risiko von Versorgungsehen zu reduzieren. Hier brauche es differenziertere und fairere Regelungen.
Derart willkürliche Altersgrenzen, die den Erhalt einer Hinterbliebenenrente ausschließen, sind unzulässig und die Arbeitgeber zur Zahlung verpflichtet. Wenn auch Ihr Arbeitgeber eine solche Spätehenklausel anführt oder eine anderweitige altersbedingte Benachteiligung vorliegt, stehen die Chancen also gut, dagegen angehen zu können. Vereinbaren Sie in solchen Fällen einfach ein kostenloses Erstgespräch in der Anwaltskanzlei Lenné und lassen Sie sich von uns beraten.
![von Anna-Lucia Kürn](/files/newsautoren/anna-lucia-kuern_200x200.jpg)
Anna-Lucia Kürn
Angestellte Rechtsanwältin
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