31. August 2018

BFH stellt Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Nachzahlungszinsen auf Steuern infrage

Mit seinem Beschluss vom 25. April 2018 - Az.: IX B 21/18 - zweifelt der Bundesfinanzhof (BFH) an der Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015. Die rechtliche Grundlage für Nachzahlungszinsen bilden die §§ 233, 238 der Abgabenordnung (AO). Gemäß §§ 233, 238 AO betragen die Zinsen für jeden Monat 0,5 % einer nachzuzahlenden oder zu erstattenden Steuer. Jährlich werden demzufolge 6 % an Zinsen berechnet.

An diesen Zinssatz möchte sich die Finanzverwaltung selbstverständlich halten, da allein aufgrund der Zinsen auf nachzuzahlende Steuern ca. 2 Milliarden Euro jährlich in die Kasse des Staatshaushaltes fließen.

Laut BFH ist Höhe der Verzinsung wahrscheinlich verfassungswidrig

Der Bundesfinanzhof hat zwar festgestellt, dass eine Verzinsung von Steuern an sich grundsätzlich rechtmäßig ist. Jedoch ist die Höhe der Verzinsung sehr wahrscheinlich verfassungswidrig, da die 6 % per anno dem angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität nicht gerecht werden. Hintergrund dieser Argumentation ist, dass die übrigen Zinsen am Geldmarkt teils gegen Null laufen oder sogar negativ sind. Daher ist es unangemessen, für die Verzinsung von Steuern einen Prozentsatz in Höhe von 6 % anzunehmen. Der Bundesfinanzhof beschreibt die Höhe von 6 % per anno als „realitätsferne Bemessung des Zinssatzes“.

In der Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs bezüglich des Beschlusses vom 25.04.2018 heißt es wie folgt: „Der gesetzlich festgelegte Zinssatz überschreite den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich, da sich im Streitzeitraum ein niedriges Marktzinsniveau strukturell und nachhaltig verfestigt habe.“

Welche Folgen hat der Beschluss für Betroffene?

Alle, die einen Bescheid bezüglich Nachzahlungszinsen erhalten haben, können gegen diesen Bescheid vorgehen und zumindest einen Teil der Nachzahlungszinsen zurück erhalten.

Im Rahmen von Betriebsprüfungen für die Veranlagungszeiträume ab 2015 ist daher durch die steuerliche Beratung genau zu prüfen, ob die von der Finanzverwaltung behaupteten Ansprüche auf Zinsen aufgrund des Beschlusses des Bundesfinanzhofes anzugreifen sind.

Erheben Betroffene Einspruch gegen den Bescheid, wird zwar nicht die Vollziehung der Zahlung der Nachzahlungszinsen verhindert. Jedoch kann dadurch im Nachhinein, also rückwirkend, falls der Gesetzeber die Regelung ändert oder der Bundesfinanzhof eine rechtsleitende Entscheidung trifft, der Mehrbetrag an gezahlten Zinsen zurückgefordert werden.

Welche Fragen sind noch offen?

Es bleibt zunächst abzuwarten, auf welchen Zinssatz man sich nun beziehen wird, wenn Nachzahlungszinsen geltend gemacht werden. Grundsätzlich sollte jedoch der Zinssatz am Geldmarkt als Orientierung dienen, um etwaige Ansprüche gegen die Finanzverwaltung geltend zu machen.

Was tun, wenn kein Einspruch mehr eingelegt werden kann?

Falls die Frist für den Einspruch bereits verstrichen ist, besteht immer noch die Möglichkeit, gemäß § 130 AO einen Antrag bei der jeweiligen Finanzverwaltung zu stellen, den Bescheid auf Nachzahlungszinsen aufzuheben. Dementsprechend kann ein rechtswidriger Bescheid zurückgenommen werden, auch wenn dieser bereits bestandskräftig geworden ist.  Die Rechtswidrigkeit des Bescheides über Nachzahlungszinsen ergibt sich aus dem zu hohen Zinssatz von 6 % pro Jahr.

Falls Sie einen Bescheid über Nachzahlungszinsen erhalten, kann grundsätzlich innerhalb eines Monats gegen diesen Einspruch eingelegt und auf den Beschluss des Bundesfinanzhofes verwiesen werden.

Daher sollten Sie prüfen lassen, ob Sie von dem Beschluss betroffen sind. Zinsen, die ab 2015 erhoben wurden, können geprüft und ggf. zu einem Teil zurückverlangt werden.

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Guido Lenné
Guido Lenné

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.
Rechtsanwalt Lenné ist auch Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.

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