BGH klärt Details zur Rückabwicklung von Versicherungsverträgen, die nach dem Policenmodell abgeschlossen wurden
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 29.07.2015 die Rechte von Versicherungsnehmern gestärkt und nunmehr entschieden, welche Kostenpositionen ein Versicherer anrechnen kann, wenn ein Versicherungsvertrag nach dem sogenannten Policenmodell nach Widerspruch durch den Versicherungsnehmer rückabwickelt wird. Das Gericht hat damit erstmals geklärt, was Assekuranzen nach einem Widerspruch an Prämien und Zinsen an den Kunden zurückzahlen müssen.
Worum ging es?
Dem Verfahren lagen zwei Versicherungsverträge aus dem Jahre 2003 zugrunde, die nach dem sogenannten Policenmodell abgeschlossen wurden.
Der Bundesgerichtshof hatte diesbezüglich bereits mit Urteil vom 07.05.2014 entschieden, dass das Widerspruchsrecht eines Versicherungsnehmers unabhängig von der Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 Versicherungsvertragsgesetz in der alten Fassung fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformationen oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat. Die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 Versicherungsvertragsgesetz in der alten Fassung sah nämlich vor, dass das Widerspruchsrecht – unabhängig von etwaigen Fehlern in der entsprechenden Belehrung – mit Ablauf eines Jahres nach der ersten Prämienzahlung durch den Versicherungsnehmer erlischt.
§ 5a Abs. 2 Satz 4 Versicherungsvertragsgesetz in der alten Fassung war jedoch auf Grundlage einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19.12.2013 „richtlinienkonform“ auszulegen.
Der Bundesgerichtshof hatte dann in seinem Urteil vom 07.05.2014 entschieden, dass die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 Versicherungsvertragsgesetz in der alten Fassung dergestalt unter Berücksichtigung europarechtlicher Regelungen auszulegen sei, dass die Vorschrift keine Anwendung finden darf.
Offen war seitdem nur noch die Frage, wie sich Rückabwicklung von Versicherungsverträgen gestaltet, wenn heute noch der Widerspruch erklärt wird.
Zwar hatte der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 7. Mai 2014 entschieden, dass der dem Versicherungsnehmer zuteil gewordener Versicherungsschutz einen Vermögenswert darstellt, der vom Versicherer im Rahmen der Rückabwicklung geltend gemacht werden kann. Die offen gebliebene Kernfrage war aber, welche weiteren Kostenpositionen der Versicherer gegenüber dem Rückzahlungsbegehren der Versicherungsnehmer noch in Anrechnung bringen kann.
Mit dem nunmehr gesprochenen Urteil hat der Bundesgerichtshof mehr Rechtssicherheit für die Versicherungskunden und die Versicherungsunternehmen geschaffen:
Ist eine nach dem Policenmodell geschlossene Lebensversicherung wegen fehlerhafter Verbraucherinformation rückabzuwickeln, dürfen insbesondere die Abschluss- und Verwaltungskosten nicht von den Rückerstattungsansprüchen des Versicherungsnehmers in Abzug gebracht werden. Hingegen kann der Versicherer bereits abgeführte Kapitalertragsteuer als Kostenpunkt ansetzen.
Der Bundesgerichtshof hat weiter entschieden, dass der Kunde auch Anspruch auf Zinsen hat - allerdings nur der Höhe, die das jeweilige Unternehmen auch tatsächlich erwirtschaftet hat.
Das Urteil kann im Ergebnis als deutliche Stärkung des Verbraucherschutzes im Versicherungsbereich angesehen werden.
Gerne prüfen wir auch Ihre Möglichkeiten zum Widerspruch und der Rückabwicklung eines bestehenden Versicherungsvertrags.
Beachten Sie: Auch bereits gekündigte Versicherungsverträge können nachträglich rückabgewickelt werden. Auch in diesem Punkt beraten wir Sie gerne.
Guido Lenné
Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.
Rechtsanwalt Lenné ist auch Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.
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