20. August 2021

BGH: Online-Glücksspielverbot mit EU-Recht vereinbar

Mit Beschluss vom 22.07.2021 hat der Bundesgerichtshof bestätigt, dass das deutsche Online-Glücksspielverbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüstV mit EU-Recht vereinbar ist. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union sei nicht notwendig, da dieser bereits 2010 entschieden hatte, dass die Prüfung der beschränkenden Maßnahmen im Glücksspielsektor Sache der nationalen Gerichte ist. Der BGH dazu:

„Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Kammergerichts - 5. Zivilsenat - vom 6. Oktober 2020 wird zurückgewiesen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - Cilfit u.a.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 - Doc Generici, mwN). Der Gerichtshof hat entschieden, dass die unionsrechtliche Kohärenzprüfung beschränkender Maßnahmen im Glücksspielsektor im Einzelfall Sache der nationalen Gerichte ist (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-46/08, Slg. 2010, I-8149 = NVwZ 2010, 1422 Rn. 65 - Carmen Media Group). Die für diese Prüfung maßgeblichen Grundsätze des Unionsrechts hat er bereits geklärt (vgl. EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - C-347/09, Slg. 2011, I-8185 = EuZW 2011, 841 Rn. 44, 56 - Dickinger und Ömer, mwN). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.“ (BGH, Beschluss vom 22.07.2021 – I ZR 199/20)

Das nationale Kammergericht Berlin hatte am 06.10.2020 – Az.: 5 U 72/19 – schon überzeugend klargestellt, dass das Online-Glücksspielverbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV in Einklang mit der einhelligen, höchst- und obergerichtlichen, bis in die Gegenwart hineinreichenden Rechtsprechung steht. Durch seinen Beschluss vom 22.07.2021 hat der BGH hat diese Entscheidung des KG Berlin nun seinerseits höchstrichterlich bestätigt.

Glücksspielanbieter können sich nicht mehr auf EU-Rechtsverstoß berufen

Für die Klagen der Spieler gegen die Online-Glücksspielanbieter bedeutet das, dass sich die Online-Glücksspielanbieter nicht mehr mit dem angeblichen EU-Rechtsverstoß des deutschen Gesetzgebers verteidigen können. Das war bei Klagen bisher eines der Hauptargumente der Online-Glücksspielanbieter, insbesondere von tipico. Darüber hinaus ist die von den Online-Glücksspielanbietern – insbesondere von bwin – erhoffte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union damit nun endgültig versperrt.

Mit diesem Beschluss hat der BGH auch indirekt klargestellt, dass der Erlaubnisvorbehalt in Deutschland gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV ebenfalls in Einklang mit dem EU-Recht steht. Für Sportwettanbieter bedeutet es nach unserer Auffassung (und der des LG Nürnberg-Fürth), dass die ohne behördliche Erlaubnis in Deutschland abgeschlossenen Wettverträge nichtig sind und die Spieler somit ihre Verluste zurückfordern können.

Sind noch Rechtsfragen zu den Erstattungsansprüchen der Spieler offen?

Leider sind noch nicht alle Rechtsfragen im Zusammenhang mit den Erstattungsansprüchen der Spieler abschließend vom BGH geklärt. In Bezug auf die Erstattungsansprüche der Spieler gegen die Zahlungsdienstleister, wie PayPal oder Kreditkartenanbieter, steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch aus. Die Erstattungsansprüche der Spieler gegen die Zahlungsdienstleister stützen sich auf das Mitwirkungsverbot an Zahlungen im Zusammenhang mit illegalem Online-Glücksspiel gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012. Die Klage gegen den weltweit größten Zahlungsdienstleister PayPal liegt dem BGH bereits vor.

Bereits 16 Landgerichte haben sich zugunsten der Spieler ausgesprochen

Anders sieht es bei den Erstattungsansprüchen gegen die Online-Casinos selbst aus. Seit 2020 haben bundesweit bereits 16 Landgerichte den Spielern Erstattungsansprüche zugesprochen. Wie sich jetzt herausgestellt hat, stehen diese Entscheidungen in Einklang mit der BGH-Rechtsprechung: nämlich dass das deutsche Online-Casinoverbot gültig ist und ein Verstoß dagegen rechtliche Konsequenzen für die Casino-Betreiber nach sich zieht.

Zur Anwendung von § 817 Satz 2 BGB (Verstoß gegen Gesetz oder gute Sitten) bei Schutzgesetzen, woran bis jetzt lediglich zwei Klagen von Spielern scheiterten, hat der BGH bereits in den Jahren davor im Zusammenhang mit „Schneeballsystemen“ zugunsten der Verbraucher – hier also der Spieler – entschieden. Ob sich das oberste Gericht mit § 817 Satz 2 BGB erneut im Zusammenhang mit Online-Glücksspiel befassen wird, bleibt abzuwarten. Einen Anlass dafür sehen wir eigentlich nicht, da die Entscheidung im Zusammenhang mit „Schnellballsystemen“ umfassend und eindeutig war.

Nach aktuellem Stand lässt sich daher erfreulicherweise sagen, dass sich die deutsche Rechtsprechung in Einklang mit dem Gesetz auf die Seite der Spieler stellt, die Opfer der illegalen Online-Glücksspielindustrie geworden sind. Wenn auch Sie Geld in illegalen Online-Casinos verloren haben, vertreten wir Sie gerne und kämpfen dafür, Ihr verspieltes Geld zurückzuholen, indem wir zivilrechtlich gegen die Online-Glücksspielanbieter vorgehen. Für eine umfassende Ersteinschätzung stehen wir Ihnen gerne in einem kostenlosen Beratungsgespräch zur Verfügung.

Alexander Münch
Alexander Münch

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.

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