BGH setzt Grenzen für Aussetzung von Glücksspiel-Verfahren
In einem wegweisenden Beschluss hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, unter welchen Bedingungen Gerichte ein Verfahren im Zusammenhang mit Online-Glücksspiel aussetzen dürfen. Die Entscheidung ist insbesondere für Glückspielanbieter, Spieler und juristische Fachkreise von hoher Relevanz.
Hintergrund des Falls
Im vorliegenden Verfahren hatte das Landgericht Hamburg einen Rechtsstreit ausgesetzt, weil eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu einem maltesischen Verfahren aussteht. Dabei geht es um die Frage, inwieweit die nationalen Regelungen zum Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 mit europäischem Recht vereinbar sind. Das Hanseatische Oberlandgericht hob diesen Aussetzungsbeschluss jedoch wieder auf da, auch Verluste, die dem Regelungsinstitut des GlüStV 2021 unterlagen streitgegenständlich gewesen sind – und der BGH bestätigte nun diese Entscheidung.
Die zentrale Aussage des Bundesgerichtshofs
Der BGH stellt klar, dass eine Verfahrensaussetzung durch nationale Gerichte nur zulässig ist, wenn eine konkrete, entscheidungserhebliche Rechtsfrage dem EuGH vorliegt. Im aktuellen Fall argumentierte das Landgericht, dass die Vorlagefrage vorgreiflich sei, obwohl das Vorlageverfahren vor dem EuGH keine Aussage zu Glücksspiel ab dem 01.07.2021, also dem GlüStV 2021, trifft, weshalb das Verfahren bis zur EuGH-Entscheidung ruhen müsse.
Dem widersprach der BGH: Eine solche pauschale Aussetzung ist nicht zulässig.
Der Bundesgerichtshof führt dazu aus:
c) Das Beschwerdegericht hat diesen Maßstab zutreffend herangezogen und den Aussetzungsbeschluss des Landgerichts zu Recht aufgehoben.
aa) Es liegt bereits kein Aussetzungsgrund vor, weil das unter dem Aktenzeichen C-440/23 anhängige Vorabentscheidungsverfahren des Gerichtshofs der Europäischen Union für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ist. Die Vorlagefragen des Civil Court of Malta (vgl. EuGH, Mitteilung vom 9. Oktober 2023 - C-440/23, juris) beziehen sich auf die Rechtslage unter dem Glücksspielstaatsvertrag 2012. Für die im Zeitraum Juli 2022 bis Januar 2023 getätigten Einsätze der Klägerin gilt jedoch der Glücksspielstaatsvertrag 2021. Das frühere Totalverbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 unterscheidet sich grundlegend vom jetzigen Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für Online-Casinospiele, virtuelle Automatenspiele und Online-Poker in § 4 Abs. 4 GlüStV 2021. Es ist daher nicht zu erwarten, dass das Ergebnis des Vorabentscheidungsverfahrens auf den Streitfall zu übertragen sein wird. Das gilt auch mit Blick auf die Vorlagefrage 7 zur Bedeutung einer maltesischen Lizenz, die die Rechtsbeschwerde hervorhebt. Diese Frage ist geklärt. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass sich aus dem Unionsrecht keine Pflicht der Mitgliedstaaten ergibt, eine von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Glücksspielerlaubnis anzuerkennen (vgl. EuGH, Urteil vom 12. September 2013 - C-660/11 und C-8/12, ZfWG 2013, 391 [juris Rn. 40 f.] - Biasci u.a., mwN).
bb) Die Entscheidung des Landgerichts ist zudem ermessensfehlerhaft, weil nicht erkennbar wird, dass es die genannten Gesichtspunkte in seiner Ermessensausübung einbezogen hat. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ohne weitere Erläuterung auf einen Aussetzungsbeschluss des Senats (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2024 - I ZR 53/23) verwiesen, der allein den Glücksspielstaatsvertrag 2012 betrifft. Das lässt darauf schließen, dass es übersehen hat zu prüfen, ob die für eine Aussetzung sprechenden Gründe auf die Rechtslage unter dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 übertragbar sind. (BGH v. 23.01.2025, Az.: I ZB 39/24)
Welche Auswirkungen hat der Beschluss?
Für Verbraucher bedeutet die Entscheidung mehr Rechtssicherheit. Nationale Gerichte können Verfahren nicht einfach unbegrenzt hinauszögern, indem sie auf eine EuGH-Rechtsprechung warten, die möglicherweise nicht einmal für den konkreten Fall entscheidungserheblich ist.
Für Kläger bedeutet dies: Sprechen Sie uns an, wenn Sie Verluste aus Online-Glücksspiel nach dem 01.07.2021 haben. Eine vorschnelle Aussetzung ist unzulässig, sodass das vor dem EuGH anhängige Verfahren einer gerichtlichen Geltendmachung Ihrer Verluste nicht entgegensteht. Zudem sollte auch im Hinblick auf die drohende Verjährung eine gerichtliche Geltendmachung nicht unnötig hinausgezögert werden.
Fazit: Ihre Rechte aktiv durchsetzen!
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Unsere Kanzlei ist im Glücksspielrecht erfahren und hilft Ihnen, Ihre Ansprüche effizient durchzusetzen. Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Erstberatung – wir prüfen Ihre Erfolgsaussichten und setzen Ihr Recht durch.

Anna-Christina vom Brocke
Angestellte Rechtsanwältin aus der Anwaltskanzlei Lenné.
Rechtsanwältin Anna-Christina vom Brocke ist auch Bankkauffrau.
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