21. Juli 2022

Böse Überraschung bei Rentenbeginn: versteckte Riester-Kosten

Kurz vor der ersten Zahlung aus der Riester-Rente kassiert die Versicherungs­gesell­schaft plötzlich teure Abschluss­kosten und „übrige Kosten“. So ist es einigen Sparern mit Riester-Banksparplan bei verschiedenen Instituten ergangen. Denn bei dem Sparplan kommt am Ende eine Versicherung ins Spiel – entweder sofort bei Renten­beginn oder ab dem 85. Geburts­tag, nach Ablauf des vorgeschalteten Bank­auszahl­plans.

Woher kommen diese Abschlusskosten?

Die Banken zahlen das Vorsorgever­mögen als Einmalbeitrag in eine Renten­versicherung. Die Versicherungs­gesell­schaften ziehen davon direkt einen erheblichen Betrag für Kosten ab. Dabei geht das nicht aus den Bedingungen der ursprüng­lichen Riester-Verträge hervor. Erst kurz vor Renten­beginn erhalten die Kunden eine Information über diese Kosten – manchmal sogar noch später.

In einem Fall bei der Raiff­eisen­bank wurden dem Kunden 599 Euro für „Abschluss- und Vertriebs­kosten“ und ca. 270 Euro für „übrige einkalkulierte Kosten“ berechnet. Hinzu kommen laufende Verwaltungs­kosten in der gesamten Renten­lauf­zeit. Ähnlich bei der Kreissparkasse Kaisers­lautern: Dort sollen die Kunden bei Renten­beginn 6 Prozent ihres angesparten Geldes an die Versicherungs­kammer Bayern zahlen. Die Kreissparkasse schließt für ihre Riester-Kunden bei diesem Versicherer eine Renten­versicherung ab. Pro 100 Euro gezahlter Rente fallen hier 1,75 Euro Verwaltungs­kosten an – und zwar über die gesamte Renten­lauf­zeit hinweg.

Riester-Sparer legten Widerspruch ein

Einige Kunden haben inzwischen bei ihrer Bank Wider­spruch gegen diese Kosten einge­legt. Eine Kundin legte sogar Beschwerde beim Ombudsmann der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken ein, nachdem die Bank den Widerspruch abgelehnt hatte. Nach Auffassung des Ombudsmannes würden Abschluss- und Vertriebs­kosten in Höhe von 598,93 Euro den wirt­schaftlichen Sinn des Alters­vorsorgever­trages ernst­haft in Zweifel ziehen. Diese seien seiner Einschät­zung nach exorbitant hoch. In Bezug auf die „einmalig übrigen kalkulierten Kosten“ bemängelte er allein schon die vage Formulierung. Zudem gebe der Alters­vorsorgever­trag für den Anfall solcher Kosten nichts her.

Manche Banken erstatteten den Betrag auf den Widerspruch ihrer Kunden hin sofort zurück, andere wiederum stellten sich stur. Letztere, darunter auch die Kreissparkasse Kaisers­lautern, wurden daraufhin von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg verklagt. Die Land­gerichte in Kaiserslautern, Dortmund und München stellten sich allesamt auf die Seite der Verbraucherschützer. So sei die Abschluss­kostenklausel in den Riester-Bank­sparplan­verträgen nach Auffassung des Land­gerichts München völlig unbe­stimmt und dementsprechend unwirk­sam. Die Sparkassen nahmen die Urteile jedoch nicht hin und legten Berufung ein, sodass sich möglicherweise der Bundes­gerichts­hof mit der Sache befassen muss.

Kosten aus Vertragsklauseln nicht ersichtlich

Aus den betreffenden Verträgen geht meistens nicht eindeutig hervor, dass bei Beginn des Auszahl­phase solch hohe Kosten anfallen. In den Bedingungen der Sparkasse West­holstein heißt es beispielsweise: „Für den Alters­vorsorgever­trag VorsorgePlus werden während der gesamten Vertrags­lauf­zeit keine Abschluss- und Vertriebs­kosten […] berechnet. Im Falle der Vereinbarung einer Leib­rente in der Auszahlungs­phase wird der Sparer ggf. mit angemessenen Abschluss- und/oder Vermitt­lungs­kosten belastet.“ Solche Klauseln wurden inzwischen von mehreren Land­gerichten für intrans­parent und damit ungültig erklärt.

Andere Geldhäuser berufen sich inzwischen gar nicht mehr auf die Kosten-Klauseln in den ursprüng­lichen Bank­sparplan-Verträgen. So schreibt die Sparkasse West­müns­terland ihren Kunden, es handele sich dabei nicht um Klauseln, sondern lediglich um unver­bindliche Hinweise.

Dafür berufen sich die Sparkassen nun auf das Alters­vorsorgever­träge-Zertifizierungs­gesetz. Diesem Gesetz zufolge hat eine Kosteninformation spätestens drei Monate vor Beginn des Auszahl­phase zu erfolgen. Davon war bei Vertrags­beginn jedoch nicht die Rede. Und viele Kunden erhielten eine solche Kostendar­stellung erst andert­halb Monate später als gesetzlich vorgeschrieben. Andere haben im Vorfeld nie eine Kostendar­stellung erhalten und so erst im Nach­hinein von den Kosten erfahren – und zwar durch die bei Riester vorgeschriebene Bescheinigung der Bank fürs Finanz­amt über die Höhe des Vorsorgekapitals.

Wofür die Kunden dabei eigentlich zahlen sollen, bleibt hingegen völlig unklar. Die Banken schließen den Versicherungs­vertrag direkt für den Kunden ab, sodass keine Vermitt­lerprovisionen oder andere Aufwendungen des Versicherers anfallen. Auch können sich die Kunden die Versicherungs­gesell­schaft nicht aussuchen. Zwar haben sie grundsätzlich das Recht, zu einem anderen Versicherer zu wechseln, doch kaum ein Versicherungsunternehmen würde einen Kunden kurz vor Renten­beginn noch annehmen. Das Geld bleibt zudem meistens in der gleichen Finanz­gruppe, denn die Sparkassen und Volks­banken schließen die Verträge für gewöhnlich bei Versicherern ihrer jeweiligen Finanz­gruppe ab.

Wie können sich Verbraucher vor dieser Riester-Abzocke schützen?

Vor Vertragsabschluss sollten Verbraucher unbedingt Angebote vergleichen. Und zwar nicht nur zwischen verschiedenen Geldinstituten, sondern auch innerhalb einer Bank. Denn bei Riester können sich die Kunden zwischen einem Bank­auszahl­plan und einer sofort beginnenden Renten­versicherung entscheiden. Bei einem Bankauszahlplan fließt die Rente bis zum 85. Geburts­tag. Erst danach erfolgt die monatliche Zahlung aus einer Renten­versicherung. Bei der Sofortrente beginnt die monatliche Zahlung aus der Renten­versicherung sofort mit Renten­beginn. Es lohnt sich, die Kosten und garan­tierten Renten beider Angebote genau zu vergleichen und sich für das günstigste bzw. beste Angebot zu entscheiden. In beiden Fällen besteht außerdem die Möglichkeit, sich 30 Prozent des angesparten Geldes bei Renten­beginn auszahlen zu lassen.

Wurde bereits vor längerer Zeit ein Riester-Sparplan abgeschlossen, kann der Vertrag auch noch kurz vor Renten­beginn gekündigt werden. Zwar muss dann die Förderung zurückgezahlt werden, doch kann diese Option durchaus eine Alternative sein, z. B. wenn das Geld früher benötigt wird, die Rentenzah­lungen aber erst einige Jahre später erfolgen oder wenn hohe Kosten die Rente drücken. Das Guthaben kann außerdem verwendet werden, um eine selbst genutzte Immobilie zu entschulden, zu kaufen oder zu bauen oder um einen alters­gerechten Umbau zu finanzieren.

Zudem muss das erste Angebot der Bank für die Renten­phase nicht zwingend angenommen werden. Ist das Angebot unbefriedigend oder wird die monatliche Riester-Rente nicht sofort benötigt, können Kunden auch einfach auf ein besseres Angebot warten. Da die Rente dann später beginnt, erhöht sich der Zahl­betrag. Gleichzeitig verkürzt sich die Renten­lauf­zeit.

Wer kurz vor Rentenbeginn steht und nun ebenfalls zur Kasse gebeten wird, kann bei der Bank oder Sparkasse Wider­spruch gegen solche Abschluss- und Vertriebs­kosten einlegen. Wenn das nichts bringt, besteht noch die Möglichkeit, Beschwerde bei den Schlichtungs­stellen der Banken oder bei der Bundes­anstalt für Finanz­dienst­leistungs­aufsicht (BaFin) einzulegen.

Wer außerdem vor Beginn der Auszahl­phase keinerlei Information über die Kosten erhalten hat oder erst weniger als drei Monate vor Rentenbeginn, kann sich ebenfalls an die BaFin wenden. Denn in dem Fall hat das Finanz­institut gegen die Regeln zur Informationspflicht des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes verstoßen, was dann von der BaFin geprüft und ggf. sanktioniert wird.

Wir stehen Ihnen dabei gerne zur Seite und übernehmen den Widerspruch bzw. die Kommunikation mit der Bank für Sie. Als Spezialisten für Bank- und Kapitalmarktrecht sind wir mit solchen Fällen bestens vertraut und wissen, wie wir Ihre Interessen am schnellsten und effektivsten durchsetzen können. Vereinbaren Sie dazu einfach einen Termin für ein kostenloses und unverbindliches Erstgespräch.

Guido Lenné
Guido Lenné

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.
Rechtsanwalt Lenné ist auch Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.

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