Bundesgerichtshof bestätigt - Online-Casinos ohne deutsche Lizenz waren und sind derzeit illegal
Der Bundesgerichtshof hatte am 22.07.2021 in gleich mehreren Fällen Fragen im Zusammenhang mit Online-Casinos zu entscheiden. Mit unserem Artikel vom 20.08.2021 hatten wir bereits über eine dieser Entscheidungen berichtet.
Gegen Rückzahlungsklagen von Verbrauchern verteidigen sich die Online-Casinoanbieter immer wieder mit dem Einwand der Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Union. Das bis zum 30.06.2021 in Deutschland geltende Online-Glücksspielverbot soll nach der Meinung der Anbieter unionsrechtswidrig sein. Der Bundesgerichtshof hat diesen Einwand jedoch nicht gelten lassen.
Zunächst hatte der Bundesgerichtshof die Nichtzulassungsbeschwerde eines Online-Casinoanbieters zurückgewiesen und so die Entscheidung des Kammergerichts Berlin bestätigt.
Das Kammergericht Berlin hatte im Oktober 2020 ausgeführt:
„Zutreffend hat das Landgericht angenommen und dies ausgesprochen sorgfältig begründet (LGU 10-14), dass und warum die hier in Rede stehenden Vorschriften des § 4 Abs. 1, 4 und § 5 Abs. 5 GlüStV nicht in unionsrechtswidriger Weise den in Art. 56 AEUV geregelten freien Dienstleistungsverkehr beschränken. Dies steht in Einklang mit der einhelligen höchst- und obergerichtlichen, bis in die Gegenwart hineinreichenden Rechtsprechung […]. Hiergegen wendet sich die Berufung vergeblich.“ (KG Berlin Urt. v. 06.10.2020 - 5 U 72/19 -, S. 7 m.w.N. Hervorhebung durch uns)
Diese Entscheidung des Kammergerichts Berlin hatte der Bundesgerichtshof bestätigt. Eine ungerechtfertigte Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt damit auch nach der Meinung des Bundesgerichtshofs nicht vor. Für weitere Einzelheiten hierzu, verweisen wir auf unseren Artikel vom 20.08.2021.
Mit der Entscheidung in der Sache - I ZR 194/20 - ebenfalls am 22.07.2021 stellte der Bundesgerichtshof darüber hinaus fest, dass Online-Glücksspiele sowohl nach dem Glückspielstaatsvertrag 2012 als auch nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 eine Genehmigung der deutschen Aufsichtsbehörden benötigen.
In dem Tatbestand der Entscheidung heißt es:
„Auf den Internetseiten "www.onlinecasino.de", "www.drückglück.de" und "www.wunderino.de" können Nutzer nach ihrer Registrierung und der Einzahlung eines Geldbetrags auf ein virtuelles Konto an Casino- und Automatenspielen teilnehmen.“ (BGH Urt. v. 22.07.2021 - I ZR 194/20 - Rn. 4)
Es handelt sich um klassische Online-Casinoangebote. In der Entscheidung in Bezug genommen sind bekannte Online-Casinos auf dem deutschen Markt.
In den Entscheidungsgründen heißt es:
„2. Die streitgegenständlichen Fernsehspots waren zum Zeitpunkt ihrer Ausstrahlung in den Jahren 2018 und 2019 und sind derzeit wegen Verstoßes gegen die in den Glücksspielstaatsverträgen vorgesehenen Werbeverbote wettbewerbsrechtlich unzulässig.
[…]
-
- d) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den Casino- und Automatenspielen auf den Internetseiten "www.onlinecasino-eu.com", "www.drueckglueck.com", "www.wunderino.com" und "www.mrgreen.com" um unerlaubte öffentliche Glücksspiele handelt, die nach § 5 Abs. 5 GlüStV 2012, § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 nicht beworben werden dürfen.
[…]
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- bb) Den Betreibern der genannten Internetseiten war und ist es nicht erlaubt, die dort angebotenen Glücksspiele in Deutschland zu veranstalten. Das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele ohne Erlaubnis der zuständigen Landesbehörde ist nach 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2012, § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2021 verboten. Bis zum 30. Juni 2021 war das Veranstalten von Online-Casinospielen und virtuellen Automatenspielen im Internet verboten und auch nicht erlaubnisfähig (vgl. § 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2012). Seit dem 1. Juli 2021 dürfen im Internet Online-Casinospiele und virtuelle Automatenspiele mit einer - an bestimmte Voraussetzungen geknüpften - Erlaubnis der zuständigen Landesbehörde veranstaltet werden (§ 4 Abs. 4 und 5 GlüStV 2021). Dass die Betreiber der Internetseiten "www.onlinecasino-eu.com", "www.drueckglueck.com", "www.wunderino.com" und "www.mrgreen.com" nunmehr Inhaber solcher Erlaubnisse sind, hat die Revision auch auf Nachfrage in der Revisionsverhandlung nicht geltend gemacht. (BGH Urt. v. 22.07.2021 - I ZR 194/20 - Rn. 44, 48 u. 50, Hervorhebung durch uns)
Der Bundesgerichtshof nimmt ausdrücklich auf die vergangene sowie die aktuelle Rechtslage Bezug. Unmissverständlich hat er dabei festgestellt, dass Online-Casinoangebote eine Genehmigung der zuständigen deutschen Aufsichtsbehörde benötigen. Andernfalls handelt es sich um unerlaubtes, also verbotenes Glücksspiel.
Der Bundesgerichtshof hat weiter klargestellt, dass es eine „Duldung“ solch illegale Angebote nicht gibt. Wir zitieren:
„cc) Die Revision führt vergeblich an, das Angebot der Online-Casinospiele auf den vorgenannten Internetseiten könne nicht mehr als rechtswidrig angesehen werden, weil die Glücksspielbehörden gehalten seien, dagegen übergangsweise nicht mehr vorzugehen.
(1) Die Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder haben sich mit Umlaufbeschluss vom 8. September 2020 darauf verständigt, […] Diese Absprache ist für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung ohne Belang.
[…]
Im Übrigen stehen der zivilrechtliche Schutz für Mitbewerber und die verwaltungsbehördliche Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten grundsätzlich unabhängig nebeneinander (BGH, GRUR 2019, 298 Rn. 24 - Uber Black II).“ (BGH Urt. v. 22.07.2021 - I ZR 194/20 - Rn. 51 ff., Hervorhebung durch uns)
Der Bundesgerichtshof hat somit klargestellt, dass der Umlaufbeschluss der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien vom 08.09.2020, aus dem die Casinoanbieter eine „Duldung“ ihrer illegalen Angebote herleiten wollen, für die zivilrechtliche Bewertung des Gesetzesverstoßes ohne Belang ist.
Weiterhin hat der BGH klargestellt, dass zivilrechtliche Ansprüche von dem Verhalten der Verwaltungsbehörden unabhängig zu beurteilen sind.
Die Anbieter verstoßen mit Ihren unlizenzierten Angeboten gegen § 4 Abs. 1 u. 4 GlüStV. Dies gilt auch für die derzeit unlizenzierten Online-Glücksspiele. Die Spielverträge sind gemäß § 134 BGB nichtig und in der Folge rückabzuwickeln.
Die deutliche Begründung des Bundesgerichtshofs entzieht der Argumentationsstruktur der Online-Casinos die Grundlage für eine Rechtfertigung der illegal veranstalteten Glücksspiele.
Pikant ist auch, dass der Bundesgerichtshof in der vorstehend zitierten Entscheidung festgestellt hat, dass sich die Prüfungspflicht eines Rundfunkveranstalters auf grobe und unschwer erkennbar Rechtsverstöße bezieht. Eine aufwändige Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Einbeziehung höchstrichterlich nicht geklärter Rechtsfragen ist einem Rundfunkveranstalter regelmäßig nicht zumutbar (vgl. BGH Urt. v. 22.07.2021 - I ZR 194/20 - Leitsatz d).
Wenn aber bereits einem Rundfunkveranstalter, der regelmäßig auch über eine eigene Rechtsabteilung verfügen wird, bereits schon nicht zuzumuten ist, festzustellen, dass es sich bei solchen Online-Glücksspielen um illegale Glücksspiele handelt, so ist in keiner Weise mehr nachvollziehbar, wie dem Verbraucher vorgeworfen werden kann, er würde sich bei Teilnahme an einem solchen Online-Glücksspiel der Einsicht in die Illegalität des Angebots leichtfertig verschließen.
Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 22.07.2021 sollten geschädigte Verbraucher zum Anlass nehmen und gegen die illegalen Anbieter vorgehen. Wir unterstützen Sie gerne bei der Rückforderung von Spielverlusten.
Alexander Münch
Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.
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