16. Juli 2018

Das Erbrecht und der Pflichtteil – Wer hat welche Ansprüche?

In Deutschland gilt der Grundsatz, dass der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen (Testament, Erbvertrag) über seinen Nachlass nach freiem Willen bestimmen kann (sog. Testierfreiheit). Begrenzt wird die Testierfreiheit aber durch das Pflichtteilsrecht (§ 2303 BGB bis § 2338 BGB). So werden nahe Angehörige, die durch den Erblasser enterbt wurden, geschützt. In seltenen Ausnahmefällen ist eine vollständige Enterbung der Pflichtteilsberechtigten jedoch möglich.

Das Pflichtteilsrecht liegt in dem besonderen Näheverhältnis der Familienmitglieder begründet und ist historisch gewachsen. Durch Beschluss des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19.04.2005 - Az.: 1 BvR 1644/00 - wurde die Vereinbarkeit des Pflichtteilsrechts mit dem Grundgesetz bestätigt. Das Bundesverfassungsgericht sieht eine Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass aufgrund der Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. mit Art. 6 Abs. 1 GG als gerechtfertigt an.

In Art. 14 GG heißt es:

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

Das Pflichtteilsrecht gewährleistet den enterbten nahen Angehörigen eine Mindestbeteiligung am Vermögen des Erblassers. Pflichtteilsberechtigte sind nach § 2303 Abs. 1 BGB die Abkömmlinge des Erblassers, die beispielsweise durch ein Testament von der Erbfolge ausgeschlossen wurden, nach der gesetzlichen Erbfolge aber eigentlich hätten erben müssen. Nach § 2303 Abs. 2 BGB steht das Recht auf den Pflichtteil am Erbe auch den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers zu. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Wer sind die Abkömmlinge?

Unter Abkömmlingen sind solche Personen zu verstehen, die in gerader absteigender Linie mit dem Erblasser verwandt sind (Kinder, Enkel und Urenkel usw.). Ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling schließt die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge von der Erbfolge aus. Es erben also zunächst die Kinder und erst nachrangig die Enkel, wenn kein Kind des Erblassers mehr vorhanden ist. Nicht pflichtteilsberechtigt sind beispielsweise die Großeltern oder Geschwister des Erblassers.

Der Pflichtteilsanspruch selbst entsteht mit dem Erbfall und ist ein reiner Geldanspruch. Der Pflichtteilsberechtigte, in der Regel das enterbte Kind oder der enterbte Ehegatte, kann somit von dem Erben eine Zahlung in Höhe der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils verlangen.

Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten

Bei der Durchsetzung seines Pflichtteilsanspruchs wird der Pflichtteilsberechtigte in der Regel auf Schwierigkeiten stoßen, da er den Wert des Nachlasses nicht kennt. Hier wird er durch seine Auskunftsansprüche geschützt.

Gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen, indem er ein Nachlassverzeichnis vorlegt. Der Pflichtteilsberechtigte kann jederzeit verlangen, dass das Nachlassverzeichnis durch einen Notar erstellt wird. Dadurch erlangt er genaue Kenntnis vom Wert des Nachlasses (Aktiva und Passiva) und kann so seinen eigenen Anspruch berechnen und gegenüber dem Erben geltend machen.

Wie wirken sich Schenkungen zu Lebzeiten auf den Pflichtteil aus?

Neben Auskunftsansprüchen verfügt der Pflichtteilsberechtigte insbesondere über den sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkung. Dadurch wird verhindert, dass der Erblasser den wesentlichen Wert des Nachlasses mindert, indem er sein Vermögen noch vor seinem Ableben verschenkt. Schenkungen an den Erben oder Dritte werden rückwirkend für 10 Jahre berücksichtigt.

Der Pflichtteilsanspruch selber verjährt nach 3 Jahren ab Kenntnis des Erbfalls und der Enterbung (§§ 194, 199 BGB). Darüber hinaus ist der Anspruch vererblich und übertragbar.

Vollständige Enterbung: die Ausnahmefälle

Nur in seltenen Ausnahmefällen kommt eine Entziehung des Pflichtteils in Betracht. Nach § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB kann der Erblasser dem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling dem Erblasser, dessen Ehegatten, einem anderen Abkömmling oder einer ähnlich nahestehenden Person nach dem Leben trachtet. Versucht das Kind also die Eltern umzubringen, können diese das Kind vollständig enterben. Das trifft auch zu, wenn sich der Abkömmling eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der oben genannten Personen schuldig macht.

Weitere Gründe für eine Entziehung des Pflichtteils finden sich in § 2333 BGB. Wie diese lauten, was sie genau bedeuten und ob sie in Ihrem Fall anwendbar sind, besprechen wir gerne mit Ihnen in einem persönlichen Beratungsgespräch. Die Erstberatung ist kostenlos.

Alexander Münch
Alexander Münch

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.

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