01. Oktober 2021

EuGH-Urteil: Widerruf von Autokrediten einfacher denn je

Welche Pflichtangaben ein Kreditvertrag enthalten muss, war oft ein Streitpunkt vor Gericht. Dem hat der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil vom 09.09.2021 (Az.: C-33/20, C-155/20, C-187/20) nun ein Ende gesetzt und damit die Rechte der Verbraucher drastisch gestärkt. Das Urteil betrifft nahezu alle Kreditverträge und alle Autobanken und öffnet Millionen von Verbrauchern die Tür für einen erfolgreichen Widerruf ihrer Autofinanzierung.

Grundsätzlich beträgt die Widerrufsfrist nach Abschluss einer Autofinanzierung 14 Tage. Sind die gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben in dem Kreditvertrag aber unvollständig oder fehlerhaft, beginnt die Widerrufsfrist nie zu laufen, sodass der betreffende Autokreditvertrag auch Jahre später noch widerrufen und rückabgewickelt werden kann.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Widerruf von Autokrediten

In der Vergangenheit herrschte allerdings Uneinigkeit darüber, wann genau diese Pflichtangaben unvollständig sind. So lagen dem EuGH gleich mehrere Klagen gegen Autobanken vor, die das Landgericht Ravensburg ausgesetzt und an die Richter in Luxemburg verwiesen hatte. Dabei ging es um den Widerruf von Autokrediten der BMW Bank, der Volkswagen Bank und der Skoda Bank.

Geklärt werden sollte die Frage, ob und in welchem Umfang die Banken ihre Kunden in den Kreditverträgen über die Höhe des Verzugszinses und die Möglichkeiten für Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren zu informieren haben. Laut der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs ist die Angabe des Verzugszinses und der jeweiligen Berechnungsformel in Kreditverträgen nicht erforderlich.

Die Richter des Europäischen Gerichtshofs sahen das jedoch anders und stellten klar, dass der Verzugszins in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben und die Berechnungsmethode genau zu präzisieren sei. Das müsse darüber hinaus auf eine Art erfolgen, die für den Verbraucher leicht verständlich sei. Des Weiteren sei die Häufigkeit der Änderung des entsprechenden Basiszinssatzes im Kreditvertrag anzugeben.

Der EuGH ging in seiner Entscheidung auch auf die Frage ein, inwieweit Banken in ihren Kreditverträgen über die Voraussetzungen für die Durchführung außergerichtlicher Beschwerdeverfahren zu informieren hätten. Nach Auffassung des BGH reicht hier ein Hinweis im Kreditvertrag aus, dass diese Informationen im Internet abgerufen werden können. Der EuGH setzte sich auch hier über die BGH-Rechtsprechung hinweg und befand, dass im Kreditvertrag über sämtliche außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren zu informieren und auf die Verfahrenskosten hinzuweisen sei.

Was bedeutet das für die Verbraucher?

Sowohl die Angaben zum Verzugszins als auch die Informationen über außergerichtliche Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren fehlen in zahllosen Autokreditverträgen. Mit seiner Entscheidung hat der EuGH daher Millionen von Kreditnehmern die Möglichkeit eröffnet, ihre laufende Autofinanzierung auch Jahre nach Abschluss noch zu widerrufen und rückabzuwickeln. So ist in Deutschland beispielsweise jedes dritte Fahrzeug finanziert.

Aufgrund der geänderten Rechtslage kann es nun durchaus sein, dass sich die Kreditinstitute zukünftig vermehrt um außergerichtliche Vergleiche mit den jeweiligen Kreditnehmern bemühen werden, da die Erfolgschancen der Verbraucher vor Gericht nun besser denn je sind.

Warum die Autofinanzierung überhaupt widerrufen?

Da Fahrzeugkauf und Finanzierung regelmäßig über dasselbe Autohaus erfolgen (das Autohaus vermittelt in der Regel auch den Kredit), hat der Widerruf nicht nur zur Folge, dass der Kreditvertrag rückabgewickelt wird, sondern auch der Kaufvertrag. Das bedeutet, dass der Kreditnehmer das finanzierte Fahrzeug an die Bank zurückgeben kann und keine Kreditraten mehr zahlen muss.

Sämtliche bis zum Widerruf geleisteten monatlichen Ratenzahlungen und, falls zutreffend, auch eine geleistete Anzahlung werden dem Kreditnehmer erstattet. Angerechnet wird lediglich der Wertverlust, der zwischen Kauf und Rückgabe des Fahrzeugs entstanden ist. Wer seinen Autokreditvertrag also widerruft, beendet nicht nur die Finanzierung selbst, sondern kann darüber hinaus das finanzierte Fahrzeug zurückgeben und erhält einen Großteil der bereits geleisteten Zahlungen zurück.

Bezieht sich das EuGH-Urteil auch auf Leasingverträge?

Zwar ging es in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ausschließlich um das Widerrufsrecht bei Autokreditverträgen, doch können unabhängig davon auch die meisten Leasingverträge widerrufen werden, da diese ebenfalls oft unzureichende oder falsche Pflichtangaben enthalten. So gab es zum Beispiel bereits Urteile des Landgerichts München und des Oberlandesgerichts München, in denen ein Leasinganbieter alle im Zuge des widerrufenen Leasingvertrags geleisteten Ratenzahlungen an den Leasingnehmer erstatten musste. Es ging dabei um eine Summe von knapp 17.000 €.

Auch bei Leasingverträgen kann sich also eine anwaltliche Prüfung des Vertrags lohnen. Doch vor allem bei Autofinanzierungen stehen die Chancen der Verbraucher nun außerordentlich gut, den Vertrag erfolgreich widerrufen und rückabwickeln zu können. Die oben genannten Pflichtangaben sind in unzähligen laufenden Kreditverträgen gar nicht oder nur unvollständig enthalten. Zahllose Autofinanzierungen können daher heute noch widerrufen werden.

Als Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht verfüge ich über besonders viel Erfahrung mit Kredit- und Leasingverträgen. Gerne prüfe ich auch Ihren Vertrag und helfe Ihnen dabei, Ihr Widerrufsrecht erfolgreich durchzusetzen. Die Prüfung erfolgt kostenfrei im Rahmen einer unverbindlichen Erstberatung.

Guido Lenné
Guido Lenné

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.
Rechtsanwalt Lenné ist auch Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.

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