26. Juni 2017

Falschberatung durch Anlageberater: Bundesgerichtshof stärkt erneut Rechte von Kapitalanlegern

Bislang wurde von den Gerichten, und zwar durch alle Instanzen hindurch, angenommen, dass ein Anleger dann grob fahrlässig handelt, wenn er nach erfolgter Beratung den Zeichnungsschein zu einer Kapitalanlage unterzeichnet, ohne sich den Inhalt des Zeichnungsschein durchzulesen. Deshalb konnte er sich in der Folge auch nicht darauf berufen, dass die dortigen Angaben zu seinem Nachteil vom Inhalt der Beratung abweichen.

Wenn nun den Anlegern die fehlerhafte Beratung erst Jahre später auffällt, was meistens der Fall ist, dann beriefen sich bislang Banken und Berater auf den Einwand der Verjährung. Diese beträgt regelmäßig 3 Jahre ab Anspruchsentstehung und Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen. An die Stelle der Kenntnis tritt bei einem Obliegenheitsverstoß des Anlegers die grob fahrlässige Unkenntnis, wenn er es unterlässt, vor der Unterzeichnung des Zeichnungsscheins diesen hinsichtlich der Abweichungen zum Beratungsgespräch durchzulesen.

Mit seinem Urteil vom 23.03.2017 (III ZR 93/16) traf der Bundesgerichtshof (BGH) eine überraschende Entscheidung:

In Abkehr zu der vorherigen Rechtsprechung stellt der BGH klar, dass allein der Umstand, dass ein Anleger, dem nach Abschluss der Beratung zum (formalen) Vollzug der bereits getroffenen Anlageentscheidung kurz der Zeichnungsschein zur Unterschrift vorgelegt wird und der den Text des Scheins vor der Unterzeichnung nicht durchliest und deshalb nicht den Widerspruch zwischen der erfolgten Beratung und im Schein enthaltenen Angaben zur Anlage bemerkt, nicht der Vorwurf einer grob fahrlässigen Unkenntnis gemacht werden kann. Dieses Urteil hilft vielen Kapitalanlegern, die fehlerhaft durch Banken oder freie Anlageberater beraten wurden, zu ihren Rechten zu kommen und sich gegen den Einwand der Verjährung zu wehren.

Eine Einschränkung jedoch gibt es:
Wenn der Berater den Anleger ausdrücklich auffordert, die Hinweise im Zeichnungsschein vor der Unterzeichnung durchzulesen, der Anleger die erforderliche Zeit hierzu hat, die Warnhinweise zur Kapitalanlage deutlich ins Auge springen oder der Anleger auf dem Zeichnungsschein gesonderte Warnhinweise zusätzlich unterschreiben muss.

Ein Anleger handelt aber grundsätzlich nach dieser neuen Rechtsprechung nicht grob fahrlässig, wenn er nach einer Beratung Risikohinweise im Zeichnungsschein nicht liest.

Dies kann in vielen Fällen bedeuten, dass die dreijährige Regelverjährung erst später zu laufen beginnt.

Anleger, die mit dem Verlauf ihrer Kapitalanlage unzufrieden sind und den Eindruck haben, dass sie fehlerhaft beraten wurden und ihnen ein Produkt vermittelt wurde, das sie nicht wollten, sollten sich den Zeichnungsschein durchlesen. Wenn die dortigen Angaben von dem Inhalt der Beratung abweichen, ist Eile geboten. In vielen Fällen kann man hier noch gegen den Berater oder gegen die Bank vorgehen.

Sprechen Sie uns an und vereinbaren Sie mit uns einen kostenfreien Termin für eine Erstberatung. Wir helfen gerne und prüfen, ob in Ihrem konkreten Fall Schadensersatzansprüche realisiert werden können.

Guido Lenné
Guido Lenné

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.
Rechtsanwalt Lenné ist auch Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.

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