Gibt es für Wirecard-Aktionäre nach der aktuellen BGH-Entscheidung überhaupt noch realistische Ansprüche?
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Einordnung von Anlegerforderungen im Wirecard-Insolvenzverfahren hat der ohnehin geringen Hoffnung vieler Betroffener einen weiteren Dämpfer versetzt. Für zahlreiche Anlegerinnen und Anleger, die in der Vergangenheit auf eine zumindest teilweise Kompensation ihrer Verluste gesetzt hatten, wird die Luft nun noch dünner. Im Folgenden fassen wir die Rechtslage zusammen.
Ausgangspunkt bleibt die Situation, dass nach der Insolvenz der Wirecard AG tausende Aktionäre Schadenersatz wegen irreführender Informationen angemeldet hatten. Sie wollten im Insolvenzverfahren wie andere Gläubiger berücksichtigt werden. Der BGH hat nun jedoch bestätigt, dass Forderungen aus angeblichen Täuschungshandlungen beim Erwerb von Aktien nicht als reguläre Insolvenzforderungen anzusehen sind. Sie gelten als nachrangig – und kommen damit erst dann zum Zuge, wenn alle vorrangigen Gläubiger vollständig bedient wurden.
Angesichts der bekannten Zahlen aus dem Insolvenzverfahren ist klar: Das wird nicht eintreten. Die verfügbare Masse reicht nicht einmal aus, um die Forderungen der vorrangigen Gläubiger auszugleichen. Damit steht fest, dass Aktionäre über das Insolvenzverfahren keine Zahlungen erwarten können. Diese Rechtslage entspricht der Grundentscheidung des Gesetzgebers, wonach das wirtschaftliche Risiko einer Aktie grundsätzlich beim Erwerber liegt, selbst wenn sich später herausstellt, dass der Markt aufgrund fehlerhafter Informationen reagiert hat.
Bleibt die Frage, ob außerhalb des Insolvenzverfahrens noch Ansprüche bestehen könnten. Möglich sind theoretisch zivilrechtliche Klagen gegen ehemalige Verantwortliche des Unternehmens. Dafür müsste jedoch nachgewiesen werden, dass eine konkrete Pflichtverletzung vorlag, diese schuldhaft begangen wurde und gerade diese Pflichtverletzung Ihren Schaden verursacht hat. Diese Anforderungen sind hoch, und die bisherige Rechtsprechung zeigt, dass solche Nachweise nur selten gelingen. Selbst wenn ein Schadenersatzanspruch dem Grunde nach besteht, bleibt die Frage offen, ob der Anspruch überhaupt real durchsetzbar wäre.
Auch gegenüber anderen Beteiligten sind die Aussichten schlecht. Gerichte haben bereits entschieden, dass die Finanzaufsicht BaFin für die Verluste der Anleger nicht haftet. Ebenso wurde im Kapitalanleger-Musterverfahren festgestellt, dass bestimmte Ansprüche gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY nicht in dieser Verfahrensform geltend gemacht werden können. Ob Einzelklagen Erfolg haben könnten, ist zweifelhaft und hängt stark vom Einzelfall ab. Die bisherigen Entscheidungen lassen jedoch eher auf geringe Chancen schließen.
Was Anleger dagegen regelmäßig nutzen können, sind steuerliche Verlustverwertungen. Verluste aus wertlosen oder nahezu wertlosen Aktien lassen sich häufig steuerlich geltend machen. Dies ersetzt die Verluste zwar nicht, kann aber eine zumindest geringe Entlastung bringen.
Unsere Kanzlei sieht die juristischen Möglichkeiten im Zusammenhang mit Wirecard daher weiterhin als äußerst eingeschränkt. Die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung hat die ohnehin schmalen Erfolgsaussichten weiter reduziert. Eine kostenlose telefonische Erstberatung bieten wir zwar grundsätzlich an, dient in Fällen wie diesem aber hauptsächlich dazu, einen realistischen Überblick über die Rechtslage zu vermitteln – nicht dazu, Hoffnungen auf umfangreiche Schadenersatzansprüche zu wecken. Sie können hierfür auch online einen Termin vereinbaren, wenn Sie lediglich die rechtliche Einordnung Ihres persönlichen Sachverhalts wünschen.
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Guido Lenné
Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.
Rechtsanwalt Guido Lenné ist auch Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.
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