06. August 2015

Kündigung von Bausparverträgen durch die Bausparkassen

Bausparkassen wie BHW, Wüstenrot und LBS kündigen in der letzten Zeit in großem Umfang Bausparverträge, die in den 1990-Jahren geschlossen wurden.

Die Hintergründe für die plötzliche Kündigungswelle der Bausparkassen liegen offensichtlich darin, dass die Altverträge für die Bausparkassen aufgrund der aktuell niedrigeren Zinsen zu teuer geworden sind. Die Altverträge erzielen im Durchschnitt Zinsen um etwa 3 Prozent, oder sogar mehr. Im Vergleich zu den alternativen Geldanlagen am Markt ist dies für Bausparkassen derzeit unwirtschaftlich.

Insbesondere betroffen sind solche Bausparverträge, die die vereinbarte Bausparsumme noch nicht erreicht haben, jedoch bereits seit mindestens 10 Jahren zuteilungsreif sind.

Wie argumentieren die Bausparkassen?

Die Bausparkassen stützen ihre Kündigung auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um ein Kündigungsrecht aus dem Darlehensvertragsrecht und zwar um das Kündigungsrecht eines Darlehensnehmers.

Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers

(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen, ...

     
  2. in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.

Zunächst ist fraglich, ob § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf Bausparverträge überhaupt anwendbar ist.

Grundsätzlich könnte dies der Fall sein, da der Bausparvertrag während der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren ist. Die Bausparkasse ist dabei die Darlehensnehmerin und der Bausparer der Darlehensgeber. Die Rollen der Parteien werden getauscht, wenn die Bausparkasse dem Bausparer ein Bauspardarlehen gewährt.

Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann ein Darlehensnehmer den Darlehensvertrag nach Ablauf von 10 Jahren kündigen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Darlehensnehmer das Darlehen vollständig erhalten hat.

Die Bausparkassen sind der Rechtsauffassung, dass mit dem Erreichen der Zuteilungsreife die Bausparkasse das Darlehen von dem Bausparer vollständig empfangen hat und somit den Vertrag nach Ablauf von 10 Jahren kündigen kann.

Unsere Gegenargumentation:

Diese Rechtsauffassung ist jedoch aus folgenden Gründen fehlerhaft:

  1. In der Regel steht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Bausparkassen, dass mit dem Erreichen der Mindestsparsumme der Bausparer einen Anspruch auf die Gewährung eines zinsgünstigen Bauspardarlehens hat. Bereits durch die Wortwahl Mindestsparsumme wird impliziert, dass eine weitere Sparsumme erreicht werden kann.
    Das heißt, dass der Bausparer durch die weiteren Zahlungen der Bausparraten, die er jederzeit noch erbringen kann und worauf er ein Recht hat, der Bausparkasse ein Darlehen gewähren kann.

    Der Bausparer hat allerdings das Darlehen der Bausparkasse noch nicht vollständig gewährt, solange er die Bausparraten nach dem Erreichen der Zuteilungsreife noch zahlt, oder nach Ablauf von 10 Jahren nach dem Erreichen der Zuteilungsreife eine Zeit lang gezahlt hat.
    Demzufolge kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bausparkasse von dem Bausparer das Darlehen vollständig empfangen hat.
    Mit dem Recht auf die Zahlung der weiteren Bausparraten korrespondiert auch das Recht des Bausparers auf das Bauspardarlehen.
    Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart, Beschluss v. 14.10.2011, - 9 U 151/11-) hat eindeutig festgestellt, dass die Kündigung eines Bausparvertrages nicht möglich sei, wenn der Bausparer noch ein Recht auf das Bauspardarlehen geltend machen könne.
    Die Kündigung der Bausparkassen beschneidet jedoch dieses Recht vertragswidrig. Sie ist daher aus diesem Grund unwirksam.

  2. Darüber hinaus sind auch die weiteren Voraussetzungen des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht erfüllt. Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB läuft die 10-Jahres-Frist neu, wenn während der Vertragsdauer die Zeit für die Rückzahlung des Darlehens oder der Zinssatz neu vereinbart wird.

    Mit der Nichtannahme der Zuteilung – also der Nichtinanspruchnahme des Bauspardarlehens bei dem Erreichen der Mindestsparsumme – wird die Dauer der Gewährung und somit der Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens konkludent neu vereinbart. Das heißt, dass mit jeder Nichtannahme der Zuteilung die 10–Jahres–Frist neu zu laufen beginnt, so dass die Kündigung praktisch bis zum Erreichen der vollen Bausparsumme nicht möglich ist.

    Manche Bausparkassen versprachen sogar einen Bonuszins, beispielsweise weitere 2 Prozent für jedes Jahr der Laufzeit, in der das Bauspardarlehen nicht in Anspruch genommen wird. Das heißt, dass mit der Nichtinanspruchnahme auch der Zinssatz neu vereinbart wurde, sodass die Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ebenfalls ausgeschlossen ist.

Unser Tipp:

Widersprechen Sie einer Kündigung. Lassen Sie sich durch unsere Experten beraten, wenn Sie durch eine Kündigung betroffen sind. Wir helfen Ihnen gerne weiter.

Alexander Münch
Alexander Münch

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.

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