LAG Baden-Württemberg gibt Equal-Pay-Klage statt
Eine Arbeitnehmerin klagte dagegen, dass sie weniger Lohn erhielt als ihre männlichen Kollegen, die in vergleichbarer Position angestellt waren. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gab ihrer Klage auf Entgeltgleichheit in seinem Urteil vom 19.06.2024 (Az.: 4 Sa 26/23) statt.
Wird eine Frau geringer entlohnt als ihre männlichen Kollegen in vergleichbarer Position, liegt der Verdacht nahe, dass eine geschlechtsbedingte Benachteiligung vorliegt. Vor Gericht ist es dann am Arbeitgeber, diesen Verdacht zu widerlegen, wie das Bundesarbeitsgericht in einem früheren Fall entschieden hatte. Und so hielt es auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg im vorliegenden Fall. Der Arbeitgeber sei in der Beweispflicht, so das Gericht. Es reiche auch nicht aus, dass er einfach nur die Gründe nenne, die zu einer unterschiedlichen Vergütung geführt hätten. Vielmehr müsse er die Differenzierungskriterien und deren Bewertung nachprüfbar darlegen. Das ist dem Arbeitgeber jedoch nicht gelungen, sodass das LAG Baden-Württemberg zugunsten der Arbeitnehmerin entschied.
Arbeitnehmerin erhielt weniger Grundgehalt und Phantomaktien
Die Arbeitnehmerin war seit 2015 als Leiterin des Bereichs „Projekt- und Prozessmanagement“ angestellt. Zusätzlich zu ihrem Grundgehalt erhielt sie aktienorientierte Vergütungsbestandteile basierend auf einem sog. Phantom-Share-Plan. Anfang 2018 wurde ihr die Leitung eines weiteren Projekts übertragen.
In ihrer Klage beanstandete die Arbeitnehmerin eine unfaire Bezahlung. Sie gab an, dass ihre männlichen Kollegen auf Leitungsebene höher vergütet wurden als sie. Einerseits erhielten diese ein höheres Grundgehalt, andererseits mehr Phantom Shares. Von ihrem Arbeitgeber fordertet sie daher zusätzliche Phantom Shares für 2021 und 2022. Sie verlangte außerdem Schadenersatz für eine zu geringe Zuweisung von Phantom Shares im Jahr 2018 und eine Vergütungsnachzahlung für 2021.
Der Arbeitgeber bestritt vor Gericht nicht, dass die Arbeitnehmerin eine geringere Entlohnung erhalten habe als ihre männlichen Kollegen. Er begründete dies allerdings damit, dass die beiden betreffenden Kollegen älter seien und mehr Berufserfahrung vorzuweisen hätten. Darüber hinaus würden sie bessere Arbeit leisten als die Kollegin.
LAG spricht Mitarbeiterin Nachzahlung und zusätzliche Phantom Shares zu
Dem LAG Baden-Württemberg reichte diese Argumentation jedoch nicht aus. Es sei nicht ersichtlich, welche Gründe konkret dazu geführt hätten, dass die Angestellte weniger Phantom Shares als ihre männlichen Kollegen erhalten habe.
Nach Auffassung des Gerichts habe die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Entgeltgleichbehandlung und folglich auf eine Nachzahlung der monatlichen Vergütung für 2021 sowie auf die Zuteilung zusätzlicher Phantom Shares. Denn gemäß dem Entgelttransparenzgesetz sowie geltendem EU-Recht dürften Frauen bei gleicher Arbeit nicht geringer entlohnt werden. Den Schadensersatzanspruch der Klägerin hielt das Gericht allerdings für verjährt.
Arbeitgeber konnte nicht beweisen, dass andere Gründe für geringere Vergütung vorlagen
Eine geschlechtsunabhängige Unterscheidung gemessen an der Qualität der geleisteten Arbeit oder an Betriebszugehörigkeit und Berufserfahrung sei grundsätzlich zulässig, so die Richter. Eine solche Differenzierung müsse allerdings nachvollziehbar sein. Dafür hätte der Arbeitgeber die Vermutung einer geschlechtsbedingten Diskriminierung zweifelsfrei entkräften müssen. Das heißt, er hätte beweisen müssen, dass die schlechtere Vergütung der Mitarbeiterin ausschließlich auf andere Gründe als ihr Geschlecht zurückzuführen war. Und das sei dem beklagten Arbeitgeber nicht gelungen. So habe sich dieser lediglich darauf berufen, dass die männlichen Kollegen eine längere Betriebszugehörigkeit, mehr Berufserfahrung und eine höhere Arbeitsqualität vorgewiesen hätten. Dem Arbeitgeber sei es jedoch nicht gelungen darzulegen, wie die Kriterien im Einzelnen bewertet bzw. gewichtet wurden. Diese Beweisführung hielt das LAG Baden-Württemberg für nicht ausreichend.
Dieses Urteil ist ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer geschlechtsunabhängigen Vergütung auf dem Arbeitsmarkt. Doch aktuell werden immer noch viele Frauen schlechter bezahlt als Männer in gleicher Position. In der Anwaltskanzlei Lenné vertreten wir weibliche Angestellte im Kampf um gleiche Entlohnung wie ihre männlichen Kollegen und setzen ihre Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber durch. Wichtig zu wissen: Der Arbeitgeber ist in der Beweispflicht und muss glaubhaft darlegen, dass andere Gründe als das Geschlecht zu einer geringeren Bezahlung geführt haben. Betroffene können sich in einem kostenlosen Erstgespräch zu den Erfolgsaussichten in ihrem Fall beraten lassen.
Anna-Lucia Kürn
Angestellte Rechtsanwältin
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