06. September 2024

LAG Hamm: Mindestlohn für Mitglieder im Yoga-Ashram

Eine Volljuristin arbeitete jahrelang in einem Yoga-Ashram und erhielt dafür lediglich ein Taschengeld. Nun bestätigte das Landesarbeitsgericht Hamm in seinem Urteil vom 14.05.2024 (Az.: 6 Sa 1128/23) den Arbeitnehmerstatus der Frau und entschied, dass sie Anspruch auf eine Nachzahlung des Mindestlohns in Höhe von ca. 42.000 Euro habe. Auch den Klagen von zwei weiteren Ashram-Mitgliedern gab das Gericht statt.

Klägerin leistet im Ashram 42 Arbeitsstunden pro Woche gegen Taschengeld

Die Volljuristin lebte und arbeitete über mehrere Jahre in einem Yoga-Zentrum. Ihre Aufgaben nahmen mit der Zeit immer weiter zu: Sie plante Unterricht und Seminare, war Teil des Social-Media- und Online-Marketing-Teams und übernahm später sogar dessen Leitung. Für diese Tätigkeiten von 42 vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden pro Woche erhielt sie lediglich ein Taschengeld zwischen 360 und 430 Euro. Schließlich verklagte Sie das Yoga-Ashram auf Zahlung des Mindestlohns. Neben ihr hatten auch noch zwei weitere Mitglieder Klage eingereicht (Az.: 6 Sa 1129/23 und Az.: 6 Sa 1112/23). Alle Klagen hatten vor dem LAG Hamm Erfolg.

Bei dem beklagten Yoga-Zentrum handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein, der verschiedene Zentren und Seminarhäuser betreibt, sich aber als religiöse Gemeinschaft versteht. Der Zweck ist nach eigener Darstellung die Verbreitung von Yoga-Lehren. Die Mitglieder werden als Sevaka bezeichnet, leben in der Gemeinschaft zusammen und widmen sich dort der Übung und Verbreitung der Yoga-Lehren. Sie sind aufgrund ihrer Vereinsmitgliedschaft verpflichtet, in dem Zentrum nach Anweisung verschiedene Dienste zu versehen. Dafür stellt der Verein ihnen neben dem Taschengeld Unterkunft und Verpflegung und trägt die Kosten für Kranken- und Altersversicherung. Darüber hinaus können die Mitglieder an den Angeboten im Yoga-Zentrum teilnehmen.

LAG Hamm: Mitglieder sind als Arbeitnehmer anzusehen und haben Anspruch auf Lohnzahlung

Bei allen drei Klägern handelte es sich um solche Sevakas, die in ihren Klagen Anspruch auf den Mindestlohn erhoben. In allen drei Fällen entschied das LAG Hamm zugunsten der Kläger. Bei den jeweiligen Rechtsbeziehungen handele es sich eindeutig um Arbeitsverhältnisse. So sei der Verein in den betreffenden Zeiträumen weder eine Religions- noch Weltanschauungsgemeinschaft gewesen. Auch die Vereinsautonomie stehe den Ansprüchen nicht entgegen, so das Gericht.

Zwei der Verfahren waren auf die Berufung des beklagten Ashrams hin bereits beim BAG anhängig und wurden zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das BAG hatte im April 2023 entschieden, dass die Kläger in den jeweiligen Verfahren den Status von Arbeitnehmern innehatten. So sei in dem Vertrag zwischen den Beteiligten das Wesen des Arbeitsvertrages gemäß § 611a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegeben, nämlich die Weisungsgebundenheit und persönliche Abhängigkeit. Daher hätten sie für den betreffenden Zeitraum nach § 1 Abs. 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Eine Arbeitnehmereigenschaft würde nur dann nicht vorliegen, wenn es sich um eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft handele, wie etwa bei Mönchen in eigenen Klöstern. Doch das sei hier nicht der Fall.

Yoga-Zentrum gilt nicht als religiöse Gemeinschaft

Auch das Landesarbeitsgericht Hamm erkannte in der erneuten Berufungsverhandlung keine solche Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft. Die Richter verwiesen auf die Bindungswirkung durch die BAG-Urteile. Neue Tatsachen hätten sich in der Zwischenzeit nicht ergeben. Damit habe die Klägerin eindeutig den Status einer Arbeitnehmerin und folglich Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns.

Für die Berechnung der Zahlungsansprüche seien die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden sowie weitere Zeiten zu berücksichtigen, für die ein Zahlungsanspruch in Höhe des Mindestlohns bestünde, so das LAG Hamm. Für einen Beschäftigungszeitraum von ca. dreieinhalb Jahren sprach das Gericht der Juristin und einem weiteren Kläger rund 42.000 Euro brutto zu. Der Kläger im dritten Fall erhält 19.000 Euro.

Bundesverfassungsgericht weist Verfassungsbeschwerden gegen BAG-Urteile ab

Die Berufungen des Yoga-Zentrums gegen die vorangegangenen Urteile des Arbeitsgerichts Detmold blieben damit erfolglos. Eine erneute Revision hat das LAG Hamm nicht zugelassen. Nachdem zwei der Berufungsverfahren bereits vom Bundesarbeitsgericht an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden waren hat nun auch das Bundesverfassungsgericht zwei Verfassungsbeschwerden gegen diese beiden BAG-Urteile nicht zur Entscheidung angenommen. Nach Auffassung des BVerfG könne offenbleiben, ob die Annahme des Bundesarbeitsgerichts, dass der Beschwerdeführer nicht als Religionsgemeinschaft anzusehen sei, mit Art. 4 Abs. 1 und 2 im Grundgesetz vereinbar sei. Denn es sei weder dargelegt worden noch anderweitig ersichtlich, dass die von den Klägern geleisteten Dienste im Ashram religiös geprägt waren.

Mitglieder solcher Ashrams oder ähnlicher Vereine und Zentren haben also möglicherweise einen Arbeitnehmerstatus inne und damit Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns – vorausgesetzt, sie üben ihre Tätigkeiten weisungsgebunden aus und es handelt sich nicht um eine religiöse Gemeinschaft. Mitglieder, die sich nicht sicher sind, ob das auch in ihrem Fall zutrifft, beraten wir in der Anwaltskanzlei Lenné gerne. Im Rahmen einer kostenlosen Erstberatung prüfen wir den Mitgliedschaftsvertrag sowie einen möglichen Arbeitnehmerstatus und setzen sich daraus ergebende Lohnansprüche durch.

von Anna-Lucia Kürn
Anna-Lucia Kürn

Angestellte Rechtsanwältin

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