06. August 2024

LAG Nürnberg: geringere Abfindungen für Arbeitnehmer kurz vor der Rente zulässig

Ein Sozialplan darf für Mitarbeiter rentennaher Jahrgänge eine niedrigere Abfindung vorsehen. So lautet ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 19.01.2023 (Az.: 8 Sa 164/22).

In dem vorliegenden Fall hatte ein Arbeitgeber anlässlich eines größeren Personalabbaus mit seinem Betriebsrat einen Sozialplan ausgehandelt. Dabei wurden die Abfindungen für betroffene Mitarbeiter basierend auf der Dauer der Betriebszugehörigkeit und der Gehaltsstufe berechnet. Ältere Mitarbeiter ab dem 62. Lebensjahr, die kurz vor einer möglichen Rente standen, sollten lediglich eine gekürzte Abfindung erhalten.

Kürzung der Abfindung für Arbeitnehmer in rentennahem Alter

So auch ein Arbeitnehmer, der zum Zeitpunkt der Entlassung fast 62 Jahre alt war und im darauffolgenden Jahr eine vorgezogene Altersrente mit Abschlägen beantragen konnte. Für ihn hatte der Arbeitgeber eine Abfindung von 9.249 EUR errechnet. Diese Abfindungsregelung hielt der betreffende Mitarbeiter für altersdiskriminierend und forderte stattdessen eine Abfindung von ca. 37.000 EUR. Er berief sich darauf, dass die Rentenberechtigung für ihn keine ausreichende Absicherung darstelle, und reichte Klage ein.

In zweiter Instanz musste sich schließlich das Landesarbeitsgericht Nürnberg mit dem Fall befassen. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Abfindungsregelung zwar durchaus eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters darstelle, diese Tatsache aber nichts an der Rechtmäßigkeit ändere.

LAG Nürnberg: Sozialplan trotz Benachteiligung älterer Mitarbeiter zulässig

Die Abfindungsregelung im Sozialplan stelle gemäß § 3 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eine unmittelbare Benachteiligung von rentennahen Mitarbeitern aufgrund ihres Alters dar, so das LAG Nürnberg. Allerdings sei diese Diskriminierung laut § 10 Satz 2, Satz 3 Nr. 6, 2. Alternative des AGG gerechtfertigt. So stünde den Betriebsparteien bei der Ausarbeitung eines Sozialplans ein weiter Spielraum zu. Ein solcher Sozialplan solle die wirtschaftlichen Nachteile betroffener Arbeitnehmer lediglich mildern, nicht aber vollständig ausgleichen oder etwa eine Entschädigung für alle möglichen Nachteile darstellen.

Nach Auffassung des LAG Nürnberg sei bei Mitarbeitern kurz vor dem Rentenalter die Kürzung von Sozialleistungen oder sogar das vollständige Streichen einer Abfindung ein geeignetes Mittel, um anderen Mitarbeitergruppen einen größeren finanziellen Ausgleich zu bieten. Die bedarfsgerechte Verteilung des begrenzten Sozialplanbudgets hielten die Richter dementsprechend für legitim.

Härten durch Stichtagsregelungen hinnehmbar

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg räumte ein, dass Stichtagsregelungen im Einzelfall zu Nachteilen führen könnten. Etwa wenn ein Mitarbeiter, der das 62. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, eine erheblich höhere Abfindung erhielte als ein Angestellter, der dieses Alter kurz zuvor erreicht habe. Solche Härten seien jedoch regelmäßig mit Stichtagsregelungen verbunden und zum Zwecke der Rechtssicherheit hinnehmbar, so das Gericht. Wegen des wegweisenden Charakters der Rechtsfrage wurde in diesem Fall eine Revision zugelassen, die derzeit beim Bundesarbeitsgericht (BAG) anhängig ist.

Wird wegen Personalabbaus ein Sozialplan ausgearbeitet, der Abfindungszahlungen an betroffene Mitarbeiter regelt, ist es immer sinnvoll, diese Regelungen durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen zu lassen. In der Anwaltskanzlei Lenné stehen wir sowohl der Arbeitgeber- als auch der Arbeitnehmerseite in solchen Fällen zur Seite, prüfen die Rechtmäßigkeit der Regelungen und setzen ggf. bestehende Ansprüche durch. Nutzen Sie hierfür einfach unsere kostenlose Erstberatung.

von Martina Bergmann
Martina Bergmann

Angestellte Rechtsanwältin

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