01. März 2024

LAG Nürnberg: Wann gilt Körperpflege als Arbeitszeit?

Wann ist die Körperpflege der Arbeitszeit zuzurechnen bzw. als Rüstzeit anzusehen? Mit dieser Frage musste sich das Landesarbeitsgericht Nürnberg auseinandersetzen. Als sog. Rüstzeiten gelten solche Zeiten, in denen Arbeitnehmer ihre eigentliche Arbeit vor- oder nachbereiten. Diese sind Teil der Arbeitszeit und müssen dementsprechend entlohnt werden. Wenn ein Arbeitnehmer durch seine Arbeit schmutziger wird als im Alltag, dann ist auch Körperpflege – also Waschen oder Duschen – als Rüstzeit bzw. Arbeitszeit anzusehen. Zu diesem Schluss kam das Landesarbeitsgericht Nürnberg in seinem Urteil vom 6. Juni 2023 (Az.: 7 Sa 275/22).

Arbeitgeber bezahlt Zeit für Körperpflege nicht

Geklagt hatte ein Containermechaniker, der in seiner Anstellung rostige und beschädigte Stellen an Transportcontainern abschleift und nachlackiert. Für diese Tätigkeit wurde ihm vom Arbeitgeber Arbeitskleidung gestellt, inkl. Handschuhe, Schutzbrille und Atemmaske. Doch trotz der Schutzkleidung wurde er bei der Ausübung seiner Aufgaben sehr schmutzig und musste sich daher waschen oder duschen, bevor er nach Hause ging. Der Arbeitgeber vergütete ihm aber weder die Umkleidezeiten inkl. Waschen oder Duschen noch die Wegezeiten von der Umkleide zum Arbeitsplatz.

Der Containermechaniker reichte vor dem LAG Nürnberg Klage ein und verlangte für die Zeit ab Januar 2017 eine Nachzahlung von über 20.000 Euro. Das Gericht gab dem Kläger im Kern recht, sprach ihm aber nur rund 2400 Euro zzgl. Zinsen für die Zeit ab Juni 2020 zu. Ansprüche für den Zeitraum vor diesem Datum seien wegen der arbeitsvertraglich vereinbarten Verfallsfrist erloschen.

Richter im Selbstversuch: aufgewendete Umkleidezeiten

Laut der Richter müsste Körperpflege als Arbeitszeit zählen, wenn der Arbeitnehmer durch seine Tätigkeit dreckiger würde als im Alltag. Es genüge schon, wenn die Verschmutzung durch die Arbeit deutlich über das Maß hinausginge, das üblicherweise im Privatleben anfiele.

In seiner Entscheidung zu den Umkleidezeiten berief sich das LAG auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt. Da der Arbeitgeber das Tragen von Arbeitskleidung angeordnet und für das Umziehen einen Raum zur Verfügung gestellt habe, gehöre es auch zur Arbeitszeit. Um sich einen genauen Eindruck der dafür benötigten Zeit zu verschaffen, startete der vorsitzende Richter einen Selbstversuch. Die ehrenamtlichen Richter stoppten die Zeit für das Umkleiden bei vier Minuten. Der Arbeitgeber müsse außerdem die erforderlichen Wegezeiten von der Umkleide zum Arbeitsplatz und zurück vergüten.

Körperreinigung vs. Körperpflege

Bislang gibt es noch keine wegweisende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu der Frage, ob auch das Waschen oder Duschen nach der Arbeit als Arbeitszeit gelten kann. Daher wandte das LAG Nürnberg die Rechtsprechung zu den Umkleidezeiten auf diese Frage an. Demnach zähle das reguläre Waschen, wie auch im Privatleben erforderlich, nicht zur Arbeitszeit. Handele es sich dabei jedoch um eine Reinigungszeit, die aufgewendet werden müsse, weil die Verunreinigung des Körpers bei der Arbeit deutlich über das Maß hinausginge, das üblicherweise im Privatleben anfiele, dann müsse die aufgewendete Zeit der Arbeitszeit zugerechnet werden. Das sei hier der Fall, so die Richter.

Arbeitgeber muss Zeiten für Umkleiden, Waschen und Wege vergüten

Zwar wären hier tariflich abweichende Regelungen zulässig, die seien aber in diesem Fall nicht gegeben. Keine Rolle spiele hingegen die Frage, ob es trotzdem zumutbar wäre, den Betrieb ohne vorheriges Duschen zu verlassen, oder ob die Körperreinigung aus Gründen des Arbeitsschutzes erforderlich ist. Ob sich der Containermechaniker nach der Arbeit dusche oder am Waschbecken wasche, mache dabei keinen großen Unterschied, weil er sich ohnehin umziehen müsse. In seinem Urteil kam das LAG Nürnberg zu dem Schluss, dass der Arbeitgeber insgesamt 21 Minuten pro Tag für das Umkleiden, Waschen und die Wege vergüten muss.

Fälle wie dieser sind im Arbeitsrecht keine Seltenheit. Immer wieder streiten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Frage, welche vor- oder nachbereitenden Tätigkeiten der Arbeitszeit zuzurechnen sind und welche nicht. Auch in der Anwaltskanzlei Lenné haben wir mit vielen solchen Auseinandersetzungen zu tun. Wir beraten die betroffenen Arbeitnehmer und setzen ihre Ansprüche auf Vergütung gegenüber dem Arbeitgeber durch. Wenn auch Sie sich in einer ähnlichen Lage befinden, beraten wir Sie gerne im Rahmen eines kostenlosen Erstgesprächs.

von Anna-Lucia Kürn
Anna-Lucia Kürn

Angestellte Rechtsanwältin

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