03. Januar 2020

LG Ulm gegen PayPal: Mitwirkungsverbot gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV

Mit dem durch unsere Anwaltskanzlei erstrittenen Urteil hat das LG Ulm am 16.12.2019 völlig zu Recht bestätigt, dass es sich bei dem Mitwirkungsverbot an Zahlungen im Zusammenhang mit illegalem Onlineglücksspiel gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV um ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB handelt. Der Verstoß gegen dieses Verbotsgesetz hat nach Auffassung des LG Ulm für die Zahlungsdienstleister zivilrechtliche Konsequenzen. Demzufolge hat das LG Ulm den Zahlungsdienstleister PayPal zum Schadensersatz von 9.662,23 € verurteilt.

Mit diesem Urteil hat das LG Ulm nicht nur die große Bedeutung des § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV unterstrichen, sondern insbesondere zu der bisherigen negativen Rechtsprechung aus München ein Pendant geschaffen.

Entgegen der Auffassung der Rechtsprechung aus München sieht das LG Ulm keine Abhängigkeit des Mitwirkungsverbots nach § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV von der Tätigkeit der Glücksspielaufsichtsbehörde gemäß §§ 9 GlüStV ff.:

 

Insgesamt folgt aus dem eindeutigen Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Regelung, Finanztransaktionen schon im Vorfeld von illegalem Glücksspiel einzudämmen, und aus der Systematik des Gesetzes, dass § 4 Abs. 1 S. 2 GlückStV eine zivilrechtliche Verbotsnorm darstellt, die keine weiteren Voraussetzungen aufgrund der öffentlich-rechtlichen Regelung in § 9 GlückStV hat (ebenso AG Leverkusen, WM 2019, 1304; AG Münch, Urt. 21.2.2018, Az. 158 C 19107/17, Rn. 18 – juris; Maier, EWiR 2019, 451 (452); Rock, ZfWG 2019, 412 (413); a.A. OLG München, Verf. 6.2.2019, Az. 19 U 793/18, Rn. 6 – juris; LG Düsseldorf, Urt. 10.10.2019, Az. 8 O 398/18 – juris; LG Wuppertal, Urt. V. 30.10.2019, Az. 3 O 384/18; Neuhof, WuB 2019, 546 (549)). Die Gesetzesmaterialien können dieses Ergebnis nicht in Frage stellen, insbesondere, da es sich um einen Staatsvertrag handelt, der keinen einheitlichen Gesetzgebungsprozess hatte. So weicht auch die Rechtsansicht der Landesregierung Niedersachsen von den Gesetzesmaterialien ab (vgl. LT (Niedersachsen)-Drucks. 18/3543, Bl. 373f.).“ (LG Ulm, Urteil vom 16.12.2019 – 4 O 202/18)

 

Auch das Argument des LG München, dass die Schadensersatzpflicht von Zahlungsdienstleistern den Spielern „Glücksspiel ohne Reue“ ermöglicht, überzeugt das LG Ulm nicht, da es schlichtweg mit dem Sinn und Zweck nicht vereinbar ist:

 

„Dieses Argument betrachtet jedoch allein die Folgen eines Verstoßes. Auszugehen ist aber von dem Fall, dass der Finanzdienstleister diese Transaktionen gerade unterbindet. Nach dem Argument des LG München I müsste auch ein Casino, das einen Spieler trotz Sperrvertrag spielen lässt, den Einsatz nicht zurückgewähren, da dieser bei Umgehung der Sperre ja einen „Freibrief“ hätte. Der BGH hat logischerweise umgekehrt entschieden (BGH, Urt. 15.12.2005, Az. III ZR 65/05). Denn der Gesetzgeber will die Finanztransaktionen gerade von Anfang an verhindern. Dabei darf nicht der Fall betrachtet werden, was die Folgen sind, wenn diese doch, entgegen dem gesetzlichen Verbot, stattfindet. Denn das Gericht hat nicht zu beurteilen, ob der Gesetzgeber durch das Gesetz seine Zielsetzung erreicht. Vielmehr muss der Zweck des Gesetzes, also die Zahlungen zu unterbinden, erreicht werden. Das Argument des LG München I hätte zur Folge, dass die Finanztransaktion gerade wirksam sein soll, damit der Spieler sie nicht vom Finanzunternehmen ersetzt verlangen kann. Das Gesetz bestimmt aber, dass sie nicht wirksam sein soll. Das Argument des LG München I kann daher jedenfalls dann nicht gelten, wenn das Finanzunternehmen nicht gutgläubig ist (dazu im Weiteren). In diesem Fall ist die Auffassung des LG München I mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen.“ (LG Ulm, Urteil vom 16.12.2019 – 4 O 202/18)

 

Es liegt auf der Hand, dass die Zahlungsdienstleister bei derartigen Sanktionen des § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV (Schadensersatzpflicht, die deutlich die Gebühren pro Transaktion übersteigt) aus dem Geschäft aussteigen werden. Die wirtschaftliche Lukrativität des Geschäftsfeldes wird daher gegen Null sinken, sodass es Onlinezahlungsmöglichkeiten für Onlineglücksspiel einfach nicht mehr geben wird. Demzufolge wird es auch kein Onlineglücksspiel mehr geben, sodass der Zweck des Glücksspielstaatsvertrages erreicht wird.

Darüber hinaus ist das LG Ulm der Auffassung, dass bei Zahlungsdienstleistern im Lichte des § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV eine Kontrollpflicht auf Zahlungen besteht. Im Hinblick auf PayPal ist die Erfüllung dieser Pflicht unproblematisch, da PayPal unmittelbar Akzeptanzverträge mit den Onlineglücksspielanbietern geschlossen hat:

 

„In Abwägung der vertraglichen Verpflichtung und der Dienstleistungsfreiheit des Zahlungsdienstleisters und des legitimen Interesses des Gesetzgebers, Onlineglücksspiel schon durch Unterbinden der Zahlungsströme zu bekämpfen, ist ein Ausgleich dadurch möglich, dass vom Zahlungsdienstleiter eine Kontrollpflicht auf Zahlungen besteht, die im Zusammenhang mit Glücksspiel stehen können. Dies ist der Beklagten hier unstreitig möglich, da sie eine Zahlung nicht an eine anonyme Kontonummer sendet, sondern den Zahlungsempfänger und dessen Geschäftsfeld kennt, da sie mit diesem einen Akzeptanzvertrag geschlossen hat.“ (LG Ulm, Urteil vom 16.12.2019 – 4 O 202/18)

 

Indem PayPal und andere Zahlungsdienstleister keine Vorsorge zur Erfüllung dieser Kontrollpflicht getroffen haben, müssen sie dem Spieler den Schaden in der Höhe der Verluste ersetzen.

Das Urteil des LG Ulm ist deshalb zu begrüßen, da es sich mit der Systematik, dem Sinn und Zweck des Gesetzes sowie auch mit den Argumenten der bisherigen Rechtsprechung intensiv auseinander gesetzt hat.

Wir kämpfen gerne für Sie, Ihr verspieltes Geld zurückzuholen, indem wir z. B. zivilrechtlich gegen Zahlungsdienstleister vorgehen.

Alexander Münch
Alexander Münch

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.

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