19. September 2021

Online-Casinos in Malta steht kein Annahmeverweigerungsrecht deutscher Klagen zu

Derzeit streiten viele Verbraucher mit illegalen Online-Casinos um die Erstattung ihrer Spieleinsätze. Das Landgericht Karlsruhe und das Amtsgericht Osnabrück haben klargestellt, dass sich die Online-Casinos einer vor einem deutschen Gericht anhängig gemachten Klage nicht entziehen können.

Zwischenzeitlich sind bereits zahlreiche gerichtliche Entscheidungen ergangen, in denen Online-Casinos zur Rückzahlung verlorener Spielbeträge verurteilt wurden.

Nachdem der Bundesgerichtshof mit Beschluss 22.07.2021 - I ZR 199/20 - endgültig klargestellt hat, dass das in Deutschland bis zum 01.07.2021 gültige Glücksspielrecht nicht gegen EU-Recht verstößt, können sich die Online-Casinos nicht mehr mit dem Einwand verteidigen, das angebotene Online-Glücksspiel sei aufgrund der Dienstleistungsfreiheit in der EU legal gewesen.

In Einzelfällen haben die Online-Casinos nun versucht sich auf ein angeblich bestehendes Annahmeverweigerungsrecht der Klageschrift zu berufen und so versucht das in Deutschland anhängige gerichtliche Verfahren zu vermeiden. Das Landgericht Karlsruhe und das Amtsgericht Osnabrück haben das Bestehen eines Annahmeverweigerungsrechts jedoch zu Recht verneint.

Was ist ein Annahmeverweigerungsrecht bei Klageerhebung?

Klagt ein Verbraucher auf Erstattung von Spielverlusten in einem illegalen Online-Casino, so ist nach der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO / Verordnung Nr. 1215/2012) das Gericht am Wohnort des Verbrauchers zuständig.

Die Klage wird also am Wohnsitz des Klägers erhoben.

Die vor einem deutschen Gericht anhängig gemachte Klage, muss dann dem Casino an dessen Sitz zugestellt werden. Regelmäßig sitzen die Online-Casinos in dem EU-Mitgliedstaat Malta. Aus diesem Grunde richtet sich die Zuständigkeit auch nach einer europäischen Verordnung. Für die Zustellung der Klageschrift gilt dann die Zustellungsverordnung (EuZustVO / Verordnung (EG) Nr. 1393/2007).

Nach Art. 8 Abs. 1 EuZustVO kann für den Empfänger der Klageschrift ein Annahmeverweigerungsrecht bestehen, wenn die Klage nicht in einer Sprache abgefasst ist (oder keine Übersetzung beigefügt ist), die der Empfänger versteht oder die der Amtssprache des Empfängermitgliedstaats entspricht.

Der Empfänger kann die Annahme dann verweigern und die Klage gilt als nicht zugestellt. Das Verfahren wird dann nicht fortgesetzt.

Verfahren vor dem Landgericht Karlsruhe

In einem von uns geführten Verfahren vor dem Landgericht Karlsruhe, war dem in Malta ansässigen Online-Casino die erhobene Klage in deutscher Sprache nebst einer englischen Übersetzung zugestellt worden.

Das Online-Casino wies die Annahme der Klageschrift zurück. Zur Begründung führte es aus, der in deutscher Sprache abgefassten Klageschrift sei keine Übersetzung in die maltesische Landessprache beigefügt gewesen. Hilfsweise zeigt das Online-Casino jedoch seine Verteidigungsbereitschaft in dem Klageverfahren an.

Das Gericht verneinte ein Annahmeverweigerungsrecht der Beklagten, denn neben der maltesischen Sprache ist auch Englisch zulässige Amtssprache in Malta. Das Gericht führte aus:

„Das Gericht geht - mit dem Kläger - von einer wirksamen Zustellung der Klage aus.

Ein Annahmeverweigerungsrecht nach Art. 8 Abs. 1 EuZVO (Verordnung (EG) Nr. 1393/2007) dürfte der Beklagten nicht zustehen.

Die Klage wurde mit einer englischen Übersetzung zugestellt. Neben Maltesisch ist auch Englisch Amtssprache in Malta.

Ist das Schriftstück (oder seine Übersetzung) in einer Amtssprache des Zustellungsortes verfasst, scheidet ein Annahmeverweigerungsrecht aus, und zwar unabhängig davon, ob der Empfänger die Sprache versteht (Geimer/Schütze Int. Rechtsverkehr/Okonska, 61. EL Januar 2021, VO (EG) 1393/2007 Art. 8  Rn.  51, 52).“ (LG Karlsruhe Verfügung vom 09.09.2021)

Das Online-Casino wird sich nun dem gerichtlichen Verfahren stellen müssen.

Verfahren vor dem Amtsgericht Osnabrück

In dem Verfahren vor dem Amtsgericht Osnabrück war dem Online-Casino die Klage ohne eine englische Übersetzung zugestellt worden.

Das Online-Casino berief sich auf das angeblich bestehende Annahmeverweigerungsrecht und zeigte innerhalb der durch das Gericht gesetzten Frist keine Verteidigungsbereitschaft an.

Das Gericht verurteilte das Online-Casino zur Rückzahlung des mit der Klage geltend gemachten Betrages. Zur Begründung führte das Amtsgericht Osnabrück zutreffend aus, dass zwar keine Übersetzung in die Amtssprache des EU-Mitgliedstaates Malta beigefügt war, das beklagte Online-Casino jedoch hinreichend der deutschen Sprache mächtig sei:

„Deutsch ist keine Amtssprache in Malta, weshalb es darauf ankommt, ob die Beklagte Deutsch versteht.

Dabei ist bei Unternehmen für die Sprachkenntnis nicht auf die persönlichen Fähigkeiten der Mitglieder der Geschäftsleitung abzustellen, sondern auf die Organisation des Unternehmens insgesamt. Entscheidend ist insoweit, ob aufgrund Art und Umfang der Geschäftstätigkeit in einem bestimmten Land davon ausgegangen werden kann, dass im Unternehmen Mitarbeiter vorhanden sind, welche sich um rechtliche Auseinandersetzungen mit den Kunden in der Landessprache kümmern können. Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände (LG Offenburg, Urteil vom 26.09.2018, 2 O 310/18; Quelle: Juris).

Die Beklagte ist Betreiberin eines Internet-Casinos. Die gegenüber Nutzern in Deutschland verwendete Platform-Oberfläche ist in deutscher Sprache gehalten. Vor dem Hintergrund dieser Geschäftstätigkeit auch in Deutschland, die eine Vielzahl von Nutzern in der Landessprache anspricht, um diesen online die Teilnahme an Glücksspielen zu ermöglichen, spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung gemäß Art. 8 EuZustVO berechtigt erfolgt und der Anspruchssteller über Art. 8 Abs. 3 EuZustVO zur Fertigung von Übersetzungen gezwungen werden kann. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Beklagte die deutsche Sprache versteht.“ (AG Osnabrück Versäumnisurteil vom 17.08.2021)

Die Online-Casinos richten ihren Geschäftsbetrieb gezielt auf den deutschen Markt aus. Neben der in deutscher Sprache vorhandenen Internetseite sind in der Regel zahlreiche Nachweise vorhanden, dass bei der jeweiligen Betreibergesellschaft ausreichende Deutschkenntnisse vorhanden sind. Nachweise die innerhalb der Unternehmensorganisation auf ausreichende Deutschkenntnisse schließen lassen sind insbesondere

  • die auf Deutsch verfügbare Internetseite
  • Vertragssprache ist Deutsch
  • AGB auf Deutsch
  • Verwendung der für Deutschland typischen Endung „/de“ in der Domainadresse
  • auf den deutschen Markt ausgerichtete Werbetexte
  • Datenschutzhinweise auf Deutsch
  • FAQ auf Deutsch
  • deutscher Kundensupport
  • Verwendung der Deutschlandfahne etc.

Bereits die regelmäßig in deutscher Sprache abgefassten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Online-Casinos, lassen auf ein hinreichendes Verständnis der deutschen Sprache schließen, denn ohne ein hinreichendes Verständnis ist die Gestaltung von umfangreichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der deutschen Sprache nicht möglich (vgl. OLG Düsseldorf Beschluss v. 18.12.2019 - 7 W 66/19 - Rn. 11 ff. m.w.N.)

„Es ist gerichtsbekannt, dass die Antragsgegnerin in Deutschland über eine Vielzahl von Nutzern verfügt, denen sie ihre Plattform vollständig in deutscher Sprache zur Verfügung stellt. Zudem sind sämtliche im Verhältnis zwischen den Parteien verwendeten Dokumente, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Anl. K1) und die Gemeinschaftsstandards (Anl. K3) in deutscher Sprache gehalten.

[…]

Die Formulierung dieser Nutzungsbedingungen wäre ohne gründliche Kenntnisse der deutschen Sprache und des deutschen Rechts nicht möglich.

Folglich erweist sich die Verweigerung der Annahme der nicht übersetzten Schriftstücke durch die Antragsgegnerin als nicht zulässig und rechtsmissbräuchlich (ebenso OLG Köln, a.a.O.; OLG München, Beschluss vom 09.05.2019 – 18 W 523/19 –; OLG Dresden, Beschluss vom 05.04.2019 – 3 W 286/19 –; LG Stuttgart, a.a.O.; LG Offenburg, a.a.O.; LG Schwerin; Beschluss vom 05.03.2019 – 3 O 162/18 –).“ (OLG Düsseldorf Beschluss v. 18.12.2019 - 7 W 66/19 - Rn. 11 ff. m.w.N.)

Zutreffend gehen die Gerichte, in Fällen wie den hier vorstehenden, von einer wirksamen Zustellung aus.

Ob hinreichende Deutschkenntnisse bei dem Empfänger vorhanden sind, prüft das Gericht in jedem Einzelfall anhand der vorliegenden Indizien. Es findet also eine Wertung durch das Gericht statt.

Aus diesem Grund ist es regelmäßig ratsam bei der Zustellung im Ausland eine Übersetzung in die Amtssprache des jeweiligen EU-Mitgliedstaates beizufügen.

Wir beraten Sie gerne, zu den Möglichkeiten Ihre Erstattungsansprüche gegen Online-Casinos mit Sitz im Ausland geltend zu machen.

Alexander Münch
Alexander Münch

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.

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