- Sozialrecht
Pflege von Angehörigen und Beruf: Welche Modelle gibt es?
Die Pflege von nahen Angehörigen ist eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Deshalb haben Arbeitnehmer das Recht, sich für die Zeit der Pflege eine Auszeit vom Beruf zu nehmen oder in Teilzeit zu arbeiten. Diese zwei Modelle werden in Deutschland durch das Pflegezeitgesetz und das Familienpflegezeitgesetz geregelt und beziehen sich auf die Pflege naher Angehöriger. Dazu zählen: Kinder, Eltern, Großeltern, Ehegatten und Lebenspartner, Schwiegereltern und Personen, die in eheähnlichen Gemeinschaften zusammenleben.
Auszeit vom Beruf oder Arbeiten und Pflegen in Teilzeit
Arbeitnehmer können entweder eine Pflegezeit – Auszeit – oder eine Familienpflegezeit – Pflegen und Arbeiten in Teilzeit – beantragen. Bei der Pflegezeit wird zudem zwischen Kurzzeitpflege und Langzeitpflege unterschieden. Bei der Kurzzeitpflege können die Arbeitnehmer für einen Zeitraum von 10 Tagen freigestellt werden, um sich der Organisation der Pflege anzunehmen. Bei der Langzeitpflege kann eine Auszeit von bis zu einem halben Jahr genommen werden, um die Pflege selbst zu übernehmen.
Wird eine Kurzzeitpflege beantragt, muss die Pflegebedürftigkeit der betreffenden Person ärztlich nachgewiesen werden. Für die Langzeitpflege wird eine Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes benötigt.
Die Familienpflegezeit sieht hingegen das Arbeiten in Teilzeit vor, sodass die häusliche Pflege neben dem Beruf erfolgen kann. Pflegezeit und Familienpflegezeit können außerdem kombiniert werden.
Bei beiden Modellen dürfen die Arbeitnehmer vom Zeitpunkt der Ankündigung bis zur Beendigung des Pflegezeitraums nicht ordentlich gekündigt werden. Es gibt zwar Ausnahmefälle, doch auch dann ist eine Kündigung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich.
Pflegezeit – Kurzzeitpflege
Die Kurzzeitpflege sieht eine kurzfristige Freistellung von der Arbeit bei einem akuten Pflegefall vor. Dabei können Angestellte bis zu zehn Arbeitstage pro Jahr freigestellt werden, um die Pflege eines nahen Angehörigen zu organisieren. Die Arbeitsverhinderung ist dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Das Recht auf Freistellung für eine Kurzzeitpflege besteht unabhängig von der Größe des Unternehmens.
Zur Lohnfortzahlung ist der Arbeitgeber allerdings nicht verpflichtet. Gemäß Pflegezeitgesetz muss er den Arbeitnehmer zwar freistellen, nicht aber das Arbeitsentgelt weiterzahlen. In manchen Fällen ist im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag geregelt, dass Beschäftigte für die Pflege von Angehörigen für einen kurzen Zeitraum weiterhin ihr Gehalt bekommen. Zwar sieht § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine Lohnfortzahlung vor, wenn Arbeitnehmer ohne ihr Verschulden nicht arbeiten können, allerdings wird dies in vielen Arbeitsverträgen ausgeschlossen.
Ist keine Lohnfortzahlung gewährleistet, kann jedoch bei der Pflegekasse des Angehörigen ein Pflegeunterstützungsgeld beantragt werden. Dieses beläuft sich auf rund 90 % des Nettoeinkommens.
Pflegezeit – Langzeitpflege
Die Langzeitpflege erlaubt eine Freistellung von bis zu sechs Monaten pro Pflegebedürftigen, aber nur dann, wenn die Angehörigen in häuslicher Umgebung gepflegt werden. Eine Ausnahme gilt bei pflegebedürftigen Kindern und Jugendlichen. In diesen Fällen ist die Pflegezeit auch zu gewähren, wenn die Pflege in einem Krankenhaus o. Ä. erfolgt.
Achtung: Ein Anspruch auf Langzeitpflege besteht nur in Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitern. Die Langzeitpflege muss dem Arbeitgeber spätestens 10 Tage vor Beginn schriftlich angekündigt werden. Eine Ankündigung per E-Mail reicht dabei nicht aus. Es muss ein ausgedrucktes Schreiben mit Unterschrift eingereicht werden, das klare Angaben dazu enthält, wie lange die Pflegezeit dauern soll und in welchem Umfang – also eine vollständige oder teilweise Freistellung. Die Ankündigung sollte vom Arbeitgeber schriftlich bestätigt werden, denn ab dann gilt der besondere Kündigungsschutz.
Auch während der Langzeitpflege muss der Arbeitgeber das Gehalt nicht weiterzahlen. Beschäftigte haben dann das Recht, ein zinsloses Darlehen zu beantragen, das monatlich ausgezahlt wird und 50 % des ausgefallenen Nettoarbeitslohns abdeckt. Dieses kann beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt werden. Ist die Pflegezeit beendet, muss das Darlehen – abgesehen von gewissen Härtefällen – in Raten zurückgezahlt werden.
Familienpflegezeit – Pflegen und in Teilzeit arbeiten
Das Familienpflegezeitgesetz räumt Arbeitnehmern für die häusliche Pflege von nahen Angehörigen für die Dauer von maximal 24 Monaten einen Anspruch auf Arbeit in Teilzeit ein. Sie müssen dann mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten. Doch Vorsicht: Das Recht auf Teilzeitarbeit besteht nur bei Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeitern. Es lohnt sich aber auch bei kleineren Unternehmen, das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen und um eine Teilzeit für die Pflege zu bitten.
Die Familienpflegezeit ist dem Arbeitgeber spätestens acht Wochen vor Beginn schriftlich anzukündigen. Auch hier gilt: Es muss ein ausgedrucktes, unterschriebenes Dokument sein, das Dauer und Umfang der Reduzierung sowie die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit enthält. Der Arbeitgeber darf dies dann nur ablehnen, wenn er dringende betriebliche Gründe nachweisen kann. Wird die Familienpflegezeit genehmigt, sollte eine schriftliche Vereinbarung zu Zeitraum und Verringerung der Arbeitszeit getroffen werden.
Um finanzielle Ausfälle zu kompensieren, kann auch während der Familienpflegezeit ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt werden.
Kombination aus Pflegezeit und Familienpflegezeit
Pflegezeit und Familienpflegezeit können auch miteinander kombiniert werden. Betrifft es die Pflege desselben Angehörigen, muss die Familienpflegezeit allerdings unmittelbar an die Pflegezeit anschließen. Soll eine Familienpflege direkt auf eine Langzeitpflege folgen, ist dies dem Arbeitgeber spätestens drei Monate vorher anzukündigen.
Es gibt also vieles zu beachten, unter anderem, ob der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist oder ob der Arbeitsvertrag dies ausschließt, oder auch, ob ein gewährtes Darlehen möglicherweise nicht – oder nicht in voller Höhe – zurückgezahlt werden muss. Hier empfiehlt sich eine anwaltliche Prüfung und Beratung. Dafür stehen wir Ihnen in der Anwaltskanzlei Lenné gerne zur Verfügung. Vereinbaren Sie einfach einen Termin für eine kostenlose Erstberatung.

Julia Bernstein
Angestellte Rechtsanwältin aus der Anwaltskanzlei Lenné.
Rechtsanwältin Julia Bernstein ist auch Mediatorin.
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