23. Juni 2025
  • Sozialrecht

Pflegegrad richtig beantragen: So vermeiden Sie häufige Fehler

Wer im Alltag dauerhaft auf Hilfe angewiesen ist, hat Anspruch auf Pflegeleistungen. Doch der Weg zum richtigen Pflegegrad ist oft bürokratisch, langwierig – und voller Fallstricke. Dieser Artikel zeigt, wie Sie einen Pflegegrad korrekt beantragen, was zu beachten ist und wie Sie sich bei einer Ablehnung wehren können.

Was ist ein Pflegegrad überhaupt?

Pflegegrade ersetzen seit 2017 die früheren Pflegestufen und orientieren sich stärker an der tatsächlichen Selbstständigkeit der Betroffenen – unabhängig davon, ob die Ursache körperlicher oder psychischer Natur ist. Es gibt fünf Pflegegrade. Je höher der Pflegegrad, desto umfangreicher sind die Leistungen der Pflegekasse – etwa für Pflegegeld, Pflegesachleistungen, Tagespflege oder Zuschüsse für einen barrierefreien Umbau.

Wer hat Anspruch auf einen Pflegegrad?

Pflegeleistungen erhalten gesetzlich Versicherte, wenn sie:

  • einen dauerhaften Bedarf an Hilfe bei alltäglichen Verrichtungen haben (z. B. Körperpflege, Ernährung, Mobilität, Haushaltsführung),

  • dieser Bedarf voraussichtlich länger als sechs Monate bestehen wird,

  • und sie gesetzlich pflegeversichert sind (bei privat Versicherten gelten vergleichbare Regelungen über die private Pflegepflichtversicherung).

Pflegegrad beantragen – so geht’s Schritt für Schritt

1. Antrag bei der Pflegekasse stellen

Der Antrag kann formlos gestellt werden, idealerweise schriftlich.
Die Pflegekasse ist der Krankenkasse angeschlossen. Nach Eingang des Antrags sendet sie Unterlagen zu und kündigt eine Begutachtung an.

2. Vorbereitung auf die Begutachtung durch den MD

Der Medizinische Dienst (MD) führt eine persönliche Begutachtung durch – häufig in der eigenen Wohnung oder per Video.

Tipp:
Führen Sie im Vorfeld ein Pflegetagebuch (7–14 Tage), in dem Sie dokumentieren:

  • Welche Tätigkeiten täglich Hilfe erfordern

  • Wie viel Zeit diese in Anspruch nehmen

  • Ob Unterstützung durch Angehörige, ambulante Dienste oder Hilfsmittel erfolgt

3. Die Begutachtung

Der Gutachter prüft die Selbstständigkeit in verschiedenen Lebensbereichen, zum Beispiel:

  • Mobilität

  • Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

  • Selbstversorgung

  • Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen

  • Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Aus dem Gutachten wird eine Punktzahl errechnet, die den Pflegegrad bestimmt.

Häufige Fehler beim Antrag – und wie Sie sie vermeiden

  • Zu spät beantragt: Leistungen werden erst ab Antragstellung gezahlt, nicht rückwirkend.

  • Hilfebedarf unterschätzt: Oft wird der tatsächliche Unterstützungsbedarf nicht korrekt eingeschätzt.

  • Mangelhafte Vorbereitung auf den Gutachterbesuch: Ohne Pflegetagebuch oder medizinische Unterlagen kann der Bedarf nicht vollständig erfasst werden.

  • Ablehnung akzeptiert, obwohl ein Anspruch besteht: Viele Anträge werden zunächst abgelehnt oder zu niedrig bewertet – dagegen kann Widerspruch eingelegt werden.

Was tun bei Ablehnung oder zu niedrigem Pflegegrad?

Nach dem Bescheid haben Sie einen Monat Zeit, schriftlich Widerspruch einzulegen. Begründen Sie diesen möglichst konkret, zum Beispiel mit:

  • Pflegetagebuch

  • Stellungnahme des Hausarztes

  • Fachärztliche Atteste oder Reha-Berichte

  • Ergänzenden Informationen zum Alltagsverhalten

Tipp:
Lassen Sie den Bescheid juristisch prüfen – viele enthalten Formfehler oder unvollständige Gutachten.

Fazit:

Der Antrag auf einen Pflegegrad ist kein rein formaler Vorgang – er entscheidet über finanzielle Hilfen und Versorgungssicherheit. Bereiten Sie sich gut vor, dokumentieren Sie ehrlich und nutzen Sie im Zweifel rechtliche Beratung. So sichern Sie sich die Leistungen, die Ihnen zustehen.

Sie möchten einen Pflegegrad beantragen oder wurden abgelehnt?

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von Julia Bernstein
Julia Bernstein

Angestellte Rechtsanwältin aus der Anwaltskanzlei Lenné.
Rechtsanwältin Julia Bernstein ist auch Mediatorin.

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