04. Oktober 2024

Restschuldversicherung: Urteil gegen Ausschlussklausel zu psychischen Erkrankungen

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat vor dem Landgericht Hamburg ein bedeutendes Urteil gegen die Ausschlussklauseln bei Restschuldversicherungen erstritten. Diese Ratenschutzversicherungen werden Verbrauchern bei Abschluss eines Darlehensvertrages von den Banken meistens gleich mit vermittelt. Sie sollen einspringen, wenn der Versicherungsnehmer die Kreditraten z. B. bei Arbeitsunfähigkeit nicht mehr bedienen kann. Die Verträge enthalten jedoch mehrere Ausschlussklauseln, unter anderem bei psychischen Krankheiten. Dabei ist über ein Drittel aller Menschen, die vorzeitig aus dem Beruf ausscheiden, davon betroffen.

LG Hamburg: Ausschlussklausel „psychische Erkrankungen“ ist unwirksam

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen klagte gegen die Société Générale (Sogecap), da sie die Ausschlussklausel für psychische Erkrankungen in den Restschuldversicherungsverträgen des Versicherers Sogecap für unwirksam hielt. So wurden Versicherte, die in der Vergangenheit Ansprüche wegen psychischer Erkrankungen geltend gemacht hatten, in der Regel abgewiesen.

Das Landgericht Hamburg schloss sich der Auffassung der Verbraucherschützer an und befand den Ausschluss in seinem Urteil vom 28.03.2024 (Az.: 312 O 20/23) für unwirksam, da die Ausschlussklausel „psychische Erkrankungen“ zu weit gefasst sei. So greife sie auch bei nicht behandlungsbedürftigen psychischen Krankheiten. Gemäß der beanstandeten Klausel reiche schon eine sog. Mitursächlichkeit für einen Ausschluss aus. Das heißt, dass der Versicherer die Leistung verweigern kann, wenn das psychische Leiden lediglich eine Begleiterscheinung einer anderen Krankheit ist. Das benachteilige die Verbraucher unangemessen, so das LG Hamburg.

Kostenfalle Restschuldversicherung

Die Restschuldversicherung steht bereits seit Jahren unter starker Kritik. Nicht nur schließen diese Policen Leistungen in vielen Fällen aus, sondern treiben die Kosten für das Darlehen auch derart in die Höhe, dass sie viele Menschen in die Verschuldung bis hin zur Insolvenz treiben. Meistens werden diese Policen durch einen hohen Einmalbeitrag mit dem Darlehen mitfinanziert, wodurch sich die Schuldensumme mitunter drastisch erhöht. Die Kosten für die mitfinanzierte Restschuldversicherung werden zudem bei der Angabe des effektiven Jahreszinses nicht berücksichtigt.

Betroffene, die sich dann wieder an ihre Bank wenden, erhalten oft das Angebot, ein höheres Darlehen mit neuer Restschuldversicherung abzuschließen, um den alten Kredit abzulösen. Das führt über die Jahre dann zu derart hohen Schulden, dass die Kreditnehmer sie nicht mehr bedienen können. Die Banken wiederum erhalten als Vermittler der Versicherungen sehr hohe Provisionen. Deshalb stehen diese Ratenschutzversicherungen seit längerem unter Kritik und auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat ein Auge darauf. Auch der Gesetzgeber ist inzwischen aktiv geworden. So dürfen Restschuldversicherungen gemäß dem Zukunftsfinanzierungsgesetz ab Januar 2025 erst nach einer sog. Cooling-off-Phase, also frühestens eine Woche nach Abschluss der Darlehensverträge, abgeschlossen werden.

Verfassungsbeschwerde der Versicherer gegen einwöchiges Abschlussverbot

Doch die Versicherer wehren sich juristisch dagegen, das lukrative Geschäft mit den Restschuldversicherungen einzuschränken. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat daher – gemeinsam mit 22 Unternehmen – eine Verfassungsbeschwerde gegen das temporäre Abschlussverbot eingereicht. Die Cooling-off-Phase sei aus ihrer Sicht europarechtswidrig. Denn gemäß der EU-Verbraucherkreditrichtlinie sollen Versicherer ihren Kunden eine Restschuldversicherung zeitgleich zum Abschluss des Kreditvertrags anbieten können. Die Dachorganisation der privaten Versicherer verweist dabei auf die 30-tägige Widerrufsfrist. So hätten Versicherungsnehmer das Recht, ihren Vertrag innerhalb von 30 Tagen nach Abschluss zu widerrufen. Somit sei das einwöchige Abschlussverbot gar nicht nötig.

Als weitere Kritik an dem geplanten Abschlussverbot führt die GDV außerdem an, dass Autokäufer ihr neues Fahrzeug zukünftig erst eine Woche nach dem Kauf versichern können, wenn sie dieses per Bankkredit finanzieren. Denn erst mit einer elektronischen Versicherungsbestätigung (eVB) könne man ein Fahrzeug in Deutschland an- oder ummelden. Aus diesen Gründen hält der Gesamtverband der deutschen Versicherer das Abschlussverbot für einen unverhältnismäßig starken Eingriff seitens des Gesetzgebers.  

Urteil des LG Hamburg noch nicht rechtskräftig

Das Urteil des Landgerichts Hamburg ist aktuell noch nicht rechtskräftig, da der Versicherer Sogecap Berufung eingelegt hat. Bis das Urteil rechtskräftig ist, muss der Konzern seine Kunden also noch nicht informieren, dass der Risikoausschluss nicht wirksam ist und vergangene Leistungsverweigerungen keinen Bestand haben.

Betroffene sollten aber schon jetzt aktiv werden, denn Ende 2024 verjähren die Ansprüche von Versicherungsnehmern, die ihre Ansprüche gegenüber dem Versicherer 2021 geltend gemacht und im selben Jahr eine Ablehnung erhalten haben. Die Versicherungsnehmer können den Versicherer unter Berufung auf das Urteil des LG Hamburg erneut zur Leistung auffordern. Versicherte, die 2022 oder später eine Leistungsablehnung erhalten haben, können zunächst auf die Entscheidung im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamburg warten. Vorausgesetzt, das Urteil erfolgt bis Ende 2025, denn dann verjähren auch die abgelehnten Ansprüche aus 2022.

Betroffene, deren Ansprüche zu verjähren drohen, können allerdings versuchen, den Versicherer angesichts des Urteils des LG Hamburg aufzufordern, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, bis der Fall abgeschlossen ist. Bestätigt der Versicherer den Verzicht schriftlich, kann er sich später nicht auf die eigentlich eingetretene Verjährung berufen, um die Leistung zu verweigern.

In der Anwaltskanzlei Lenné stehen wir Versicherungsnehmern in solchen Fällen zur Seite und kämpfen darum, ihre Ansprüche gegenüber dem Versicherer durchzusetzen und bei Bedarf eine Verjährung der Ansprüche zu verhindern. Im Zuge eines kostenlosen Erstgesprächs beraten wir Sie hierzu gerne.

von Benedikt Nilges
Benedikt Nilges

Angestellter Rechtsanwalt

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