29. März 2024

Schadensregulierung nach Unfall: BGH-Rechtsprechung zu Werkstattrisiko

Nach einem Autounfall haben Geschädigte Anspruch darauf, dass die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers die Reparaturkosten in vollem Umfang erstattet. Der Verursacher trägt dabei in der Regel auch das sogenannte Werkstattrisiko. Das bedeutet, er muss die Reparaturkosten auch dann übernehmen, wenn die Werkstatt unsachgemäße bzw. unwirtschaftliche Reparaturen durchführt oder nicht geleistete Arbeiten in Rechnung stellt. Bisher musste der Geschädigte jedoch in dem Fall nachweisen, dass ein Zusammenhang zwischen Unfall und Reparaturkosten besteht. Doch nun hat der für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Kfz-Unfällen zuständige Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seine Rechtsprechung zu diesem Thema in gleich mehreren Fällen, in denen die Versicherung die Übernahme der Mehrkosten verweigerte, konkretisiert.

Werkstatt stellt nicht ausgeführte Reparaturen in Rechnung

In einem der verhandelten Fälle (Az.: VI ZR 253/22) stellte die Werkstatt Reparaturen in Rechnung, die sie gar nicht ausgeführt hatte. Diese Tatsache war für den Unfallgeschädigten jedoch nicht zu erkennen gewesen. Daher entschied der BGH zu seinen Gunsten. Da die Reparatur in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinde, dürfe er darauf vertrauen, dass die Werkstatt keinen unwirtschaftlichen Weg für die Schadensbeseitigung wähle. So sei er vor der Beauftragung der Werkstatt auch nicht verpflichtet gewesen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, um die Reparatur auf Grundlage dieses Gutachtens zu beauftragen. Dies begründe kein Auswahl- oder Überwachungsverschulden seinerseits, so der BGH. Daher müsse die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung dem Geschädigten die entstandenen Mehrkosten ersetzen.

Werkstattrechnung nicht vollständig bezahlt

In weiteren vor dem obersten deutschen Gericht verhandelten Fällen (Az.: VI ZR 253/22, VI ZR 266/22, VI ZR 51/23) ging es um die Frage, ob die Grundsätze des Werkstattrisikos auch zur Anwendung kämen, wenn der Geschädigte die Werkstattrechnung noch nicht bezahlt hätte. Der BGH bejahte dies. In dem Fall könne er allerdings nur die Zahlung direkt an die Werkstatt verlangen, wenn er das Werkstattrisiko nicht selbst tragen wolle.

Der Senat verwies hier auf das Prinzip des Vorteilsausgleichs: Demnach werden Vorteile, die der Geschädigte bereits erhalten hat, zugunsten des Schadensersatz-Leistenden mit einberechnet. Ein Vorteilsausgleich sei aber nicht möglich, wenn der Geschädigte die Schadensersatzleistung bereits erhalten habe, also die Behebung des Schadens bereits erfolgt ist, er aber die Rechnung nicht oder nicht vollständig zahlt, weil die Werkstatt eine Leistung nicht erbracht habe. Denn dann würde sich der Unfallgeschädigte durch den Schadensersatz bereichern und der Verursacher wäre im Nachteil. Hätte dieser nämlich die Reparatur selbst veranlasst, hätte er die Zahlung der zu hoch kalkulierten Kosten oder unsachgemäß erbrachten Leistung verweigern können.

Geschädigter kann nur die Zahlung direkt an die Werkstatt verlangen

Berufe sich ein Unfallgeschädigter auf das Werkstattrisiko, habe aber die Rechnung der Werkstatt noch nicht bzw. nicht vollständig bezahlt, könne er vom Schädiger lediglich die Zahlung direkt an die Werkstatt verlangen, so der BGH. Dabei trete er mögliche Ansprüche gegen die Werkstatt ab. Verlange der Geschädigte bei unbezahlter Rechnung hingegen die Zahlung an sich selbst, so müsse er auch das Werkstattrisiko tragen. Käme es dann zu einem Schadensersatzprozess gegen den Schädiger, müsse er beweisen, dass die abgerechneten Reparaturmaßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden und dass die Kosten angemessen waren – also dass sie beispielsweise nicht wegen überhöhter Sätze, unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt in die Höhe getrieben wurden.

Geschädigte können das Recht, sich auf das Werkstattrisiko zu berufen, nicht an Dritte abtreten

Darüber hinaus haben die Karlsruher Richter in zwei Fällen (Az.: VI ZR 38/22, VI ZR 239/22) entschieden, dass der Geschädigte sein Recht, sich auch bei unbeglichener Rechnung auf das Werkstattrisiko zu berufen, nicht im Wege der Abtretung auf Dritte übertragen kann. Denn der Unfallverursacher habe ein besonders schutzwürdiges Interesse daran, dass der Geschädigte sein Gläubiger bleibe, weil nur im Verhältnis zu diesem die Durchführung des Vorteilsausgleichs in jedem Fall möglich sei.

In der Anwaltskanzlei Lenné vertreten wir Geschädigte eines Autounfalls bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber dem Unfallverursacher bzw. dessen Kfz-Haftpflichtversicherung. Wir begleiten Sie in solchen Fällen über den gesamten Verlauf der Schadensregulierung hinweg bis zur abgeschlossenen und bezahlten Reparatur und beraten Sie auch in Sonderfällen wie den oben geschilderten. In einem kostenlosen Erstgespräch können Sie sich unverbindlich zu Ihrem Fall beraten lassen.

Dominik Fammler
Dominik Fammler

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.
Rechtsanwalt Dominik Fammler ist auch Fachanwalt für Verkehrsrecht.

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