Schadstoffbelastung führt zur Schließung der Kita Scharnhorststraße – welche Rechte gibt es?
Was ist passiert?
Die Stadt Leverkusen hat am Montag, 17.02.2025 die Kindertagesstätte Scharnhorststraße im Leverkusener Stadtteil Manfort mit sofortiger Wirkung und dauerhaft geschlossen. Grund hierfür ist eine für Kinder und Mitarbeitende nicht zumutbare Geruchsbelastung in der Einrichtung. Zuvor hatten Mitarbeitende und Eltern der 106 Kinder wiederholt auf einen störenden Gestank in der Kindertagesstätte aufmerksam gemacht. Auch durch ausgiebiges Lüften war der Gestank nicht ausreichend zu beseitigen.
Schon ab Dienstag, 18.02.2025, mussten die Kinder anderweitig betreut werden. Sie wurden auf die Kindertagesstätten in der Borkumstraße, Am Stadtpark, in der Nikolaus-Groß-Straße und am Fester Weg verteilt. Die Stadt Leverkusen hat nach eigenen Angaben Raumluftmessungen durchgeführt, um eine Schadstoffbelastung prüfen zu können.
Was ist das Ergebnis der Raumluftmessungen?
Die Messungen sollen ergeben haben, dass der Geruch durch Schadstoffe hervorgerufen wird, „die schon in sehr niedrigen Konzentrationen in Verbindung mit Feuchtigkeit eine außerordentliche Geruchsbelastung hervorrufen“. Bei den festgestellten Schadstoffen soll es soll sich um Chlornaphtaline und Chloranisole handeln. Außerdem wird von Formaldehyd und Lindan gesprochen. Letztere könnten krebserregend sein.
Die Eltern haben bislang keine Information darüber erhalten,
- was genau festgestellt wurde und
- welche Grenzwerte relevant sind und
- ob Gesundheitsrisiken für ihre Kinder bestehen.
Um welche Schadstoffe soll es sich handeln?
Bis in die 1970er-Jahre hinein wurden Chlornaphthaline bei der Herstellung verleimter Holzwerkstoffe, vor allem Spanplatten, als Holzschutzmittel verwendet. Die Spanplatten wurden z.B. als Fußbodenplatten oder auch als Wand- und Deckenplatten eingesetzt. Chlornaphthaline fielen immer wieder durch ihren typischen muffigen Geruch auf.
Zur Bewertung von Chlornaphthalinen wurde vom damaligen Bundesgesundheitsamt ein Richtwert I von 20 μg/m³ und ein Richtwert II von 200 μg/m³ vorgeschlagen. Bei der hygienischen Bewertung chlornaphthalinbelasteter Innenräume ist auch die von den Substanzen ausgehende Geruchsbelästigung zu berücksichtigen. Für die Monochlornaphthaline werden Geruchsschwellenwerte im Bereich von 4–10 μg/m³ genannt.
Mögliche gesundheitliche Folgen können sein:
- Geruchsbelästigung,
- Schleimhautreizungen besonders im Nasen- und Rachenraum,
- Augenbrennen,
- Hautreizungen oder
- Kopfschmerzen.
Lindan ist ein Schadstoff, den die internationale Agentur für Krebsforschung seit dem Jahr 2015 als krebserregend einstuft. Zwischen 1960 und 1980 wurde es als Holzschutzmittel eingesetzt.
Formaldehyd ist ein industrieller Rohstoff. Es ist in Lösungsmitteln zu finden. Formaldehyd ist giftig bei Verschlucken, beim Einatmen und bei Hautkontakt, es ist ätzend, es kann die Haut sensibilisieren und vermutlich genetische Defekte erzeugen. Seit 2014 ist Formaldehyt in Europa als krebserregend eingestuft.
Chloranisole sind chemische Verbindungen, die durch mikrobiellen Abbau von chlorhaltigen Holzschutzmitteln entstehen. Sie gelten nach bisherigen Erkenntnissen als toxikologisch unbedenklich.
Wissenschaftlich belegt ist, dass Schadstoffe in Aufenthaltsräumen zu den Hauptursachen von Krankheiten zählen. Neben den Belastungen der Außenluft und der Lebensmittel sind es die Schadstoffe in Wohnräumen, die der Gesundheit zusetzen können.
Wie kann eine Gesundheitsgefahr bewiesen werden?
Ob eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit durch Raum- und Umweltgifte vorliegt, ist nach dem jeweils aktuellen Erkenntnisstand anhand objektiver Maßstäbe des Einzelfalles zu beurteilen. Es muss also festgestellt werden, dass von dem beeinträchtigenden Stoff konkrete, das heißt naheliegende, Gesundheitsgefahren für Benutzer der Räumlichkeiten ausgehen. Der Nachweis ist z.B. durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu führen.
Welche Ansprüche sind möglich?
Um Ansprüche z.B. auf Schadensersatz begründen zu können, müssen Betroffene darlegen, dass die Umweltgifte beim Kind zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung führen können, doch muss eine solche nicht mit Sicherheit feststehen. Es ist ausreichend, dass eine Gefahr nicht ausgeschlossen werden kann, was bei einer Überschreitung von anerkannten Grenz- und Richtwerten regelmäßig der Fall sein wird.
Die Stadt Leverkusen hat bereits angekündigt Familien finanziell helfen zu wollen. Ob dies geschieht und in welchem Umfang bleibt abzuwarten.
Daneben können Ansprüche auf Schmerzensgeld ggf. bestehen, wenn sich Gesundheitsrisiken tatsächlich verwirklicht haben und Ihr Kind z.B. Hautreizungen hat, die auf den Besuch der Kita zurückgeführt werden können.
Was tun?
Wichtig ist es zunächst einmal Informationen und weitere Aufklärung zu erhalten:
- Welche Schadstoffe wurden festgestellt?
- Welche Werte wurden gemessen?
- Welche Grenzwerte gelten aktuell?
Zu diesen drei Fragen ist die Stadt Leverkusen gefragt und muss Auskunft erteilen.
Steht fest, welche Schadstoffe ermittelt werden konnten, können individuelle Ansprüche weiter geprüft werden.

Guido Lenné
Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.
Rechtsanwalt Guido Lenné ist auch Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.
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