14. April 2023

Schmerzensgeld bei verspäteter Aufklärung vor einer operativen Behandlung

Das Landgericht Frankenthal (Pfalz) hat mit Urteil vom 30.05.2022 - 4 O 147/21- in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung entschieden, dass die Einwilligung eines Patienten in einen ärztlichen Eingriff nur dann wirksam ist, wenn der Arzt den Patienten zuvor

  • verständlich,
  • ausführlich und
  • rechtzeitig

über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt hat.

Mit rechtzeitiger Aufklärung ist gemeint, dass diese so frühzeitig erfolgt, dass dem Patienten ausreichend Bedenkzeit für eine wohlüberlegte Entscheidung verbleibt.

Ein Aufklärungsgespräch erst am Tag einer Operation oder sogar erst während der OP-Vorbereitung sei laut Rechtsprechung jedenfalls aufgrund des Zeitdrucks in der Regel nicht rechtzeitig im Sinne des Gesetzes.

Die verspätete Aufklärung habe zur Folge, dass die erfolgte Operation rechtswidrig ist.

Das Landgericht Frankenthal hat im vorliegenden Fall der klagenden Patientin aus Baden-Württemberg ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 € zugesprochen.

Was war passiert?

Die Patientin erlitt mehrere Augenbeschwerden, unter anderem starke Kurzsichtigkeit, erhöhten Augeninnendruck und Trübung einer Linse. Daher wurde ihr in einer Augenarztpraxis in Rhein-Neckar bei einem Auge eine Linse mit mehreren Sehstärken eingesetzt. Kurze Zeit nach dem Eingriff kam es zu einer starken Verschlechterung der Sehfähigkeit auf nur noch 25%. Die Patientin warf dem behandelnden Arzt einen Behandlungsfehler vor, der für die Verschlechterung ursächlich sei. Ferner habe er sie auch nicht genügend über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt, weshalb sie sich nicht für eine risikoärmere Alternativbehandlung entschieden habe.

Sie verklagte den behandelnden Arzt auf ein angemessenes Schmerzensgeld.

Auffassung des Landgerichts

Das Landgericht Frankenthal gab der Klägerin im Ergebnis recht, wenn auch mit abweichender Begründung.

Der Sachverständige konnte zwar nicht feststellen, ob dem Behandler im Rahmen der Operation tatsächlich ein Fehler unterlaufen war. Allerdings käme im Ergebnis hierauf gar nicht an, denn der Eingriff sei bereits aufgrund fehlender wirksamer Einwilligung rechtswidrig. Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung sei nämlich eine vor Erteilung der Einwilligung erfolgte ordnungsgemäße Aufklärung der Patientin durch den Arzt.

Dem Arzt sei der Beweis, die Patientin sei vor der Operation rechtzeitig und ausreichend aufgeklärt worden, nicht gelungen.

Nach seinem eigenen Vortrag habe das Aufklärungsgespräch erst am OP-Tag, etwa eine halbe Stunde vor dem Eingriff, stattgefunden. Dies sei jedenfalls nicht ausreichend, um einem Patienten eine freie Entscheidung für und gegen einen medizinischen Eingriff ohne Zeitdruck und mit hinreichender Bedenkzeit zu ermöglichen, so das Landgericht Frankenthal.

Gesetzliche Grundlage der Aufklärungspflicht

Die Pflicht eines Arztes, den Patienten vor einer Maßnahme - insbesondere operativer Art - aufzuklären, findet ihre gesetzliche Grundlage in § 630e BGB.

In der Norm heißt es:

(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

(2) Die Aufklärung muss

          1. mündlich durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt; ergänzend    
             kann  auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält,
          2. so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann,
          3. für den Patienten verständlich sein.

 

Die rechtliche Folge einer fehlerhaften Aufklärung ist in § 630d Absatz 2 BGB verankert.

An dieser Stelle heißt es:

Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt voraus, dass der Patient oder im Fall des Absatzes 1 Satz 2 der zur Einwilligung Berechtigte vor der Einwilligung nach Maßgabe von § 630e Absatz 1 bis 4 aufgeklärt worden ist.

Ist die Aufklärung fehlerhaft, verspätet oder sonst nicht gesetzeskonform, ist somit die erteilte Einwilligung unwirksam. Danach wäre eine dennoch erfolgte Behandlung rechtswidrig, sodass Schadensersatzansprüche aufgrund der mit der Behandlung einhergehenden Körperverletzung bestehen können.

Die vorgenannten Vorschriften lassen dem Wortlaut nach die Komplexität des Arzthaftungsrechts bereits erahnen. So ist die Norm äußerst abstrakt formuliert und für den juristischen Laien regelmäßig nicht verständlich.

Für das Verständnis, was beispielsweise unter rechtzeitiger oder ausreichender Aufklärung zu verstehen ist, ist die Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung unentbehrlich, weshalb in solchen Fällen dringend ein auf das Arzthaftungsrecht fokussierter Anwalt konsultiert werden sollte.

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Guido Lenné
Guido Lenné

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.
Rechtsanwalt Lenné ist auch Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.

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