Strafmildernde und strafschärfende Umstände im Strafrecht: Ein Überblick
Das deutsche Strafrecht sieht eine Vielzahl von Faktoren vor, die das Strafmaß eines Täters beeinflussen können. Dabei wird zwischen strafmildernden und strafschärfenden Umständen unterschieden. Sie beeinflussen, in welchem Umfang ein Gericht die Strafe anpasst, um der individuellen Schuld des Täters gerecht zu werden. Die Berücksichtigung dieser Umstände erfolgt im Rahmen der richterlichen Entscheidung und basiert auf einer umfassenden Würdigung der gesamten Tat- und Täterumstände. Im Urteil selbst werden diese Umstände genau erklärt, um nachvollziehbar darzulegen, warum eine bestimmte Strafe verhängt wurde. Taten, die beispielsweise auf verfestigte rechtsfeindliche oder gleichgültige Haltung zurückgehen, sind anders zu bewerten, als Spontantaten oder Taten, die in einem gewissen Maße nachvollziehbar sind. Im Folgenden geben wir einen Überblick über diese beiden Kategorien.
Strafmildernde Umstände: Wann wird das Strafmaß reduziert?
Strafmildernde Umstände sind Faktoren, die dazu führen, dass das Strafmaß für einen Täter reduziert wird. Sie können sich auf die Tat selbst, die persönlichen Eigenschaften des Täters oder sein Verhalten nach der Tat beziehen. Diese Umstände kommen in der Regel dann zum Tragen, wenn das Gericht der Meinung ist, dass das Verhalten des Täters in einem weniger schwerwiegenden Licht erscheint oder mildernde Gesichtspunkte vorliegen.
- Geständnis und Kooperation
Ein Geständnis kann als strafmildernd gewertet werden, insbesondere wenn der Täter zur Aufklärung der Tat beiträgt. Ein vollständiges Geständnis, das zur Klärung des Sachverhalts und zur Entlastung anderer Personen führt, wird oft als Zeichen der Reue und als Entgegenkommen gegenüber der Justiz anerkannt. Dies kann zu einer erheblichen Strafmilderung führen.
Vorsicht: Legen Sie nach dem Vorwurf einer Straftat nicht sofort ein Geständnis ab. Kontaktieren Sie einen Strafverteidiger. Dieser wird mit Ihnen besprechen, ob, wann und in welcher Form das Geständnis abgelegt werden sollte!
Ein fehlendes Geständnis darf nicht strafschärfend berücksichtigt werden.
- Reue und Wiedergutmachung
Wenn der Täter Reue zeigt, etwa durch Entschuldigung oder das Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen (z. B. durch Schadensersatz), kann das Strafmaß ebenfalls verringert werden. Ein Täter, der aktiv versucht, die Auswirkungen seiner Tat zu beheben, zeigt Verantwortung und Mangel an weiterem kriminellen Willen, was strafmildernd wirkt. - Beweggründe:
Die Beweggründe des Täters können ebenfalls berücksichtigt werden. Wenn der Täter etwa aufgrund von psychischen Belastungen oder in einer besonders schwierigen Lebenssituation gehandelt hat, kann dies seine Verantwortung mindern und zu einer geringeren Strafe führen. Beispiele hierfür ist eine notstandsähnliche Lage oder besonders ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse. - Täter mit besonders belastenden persönlichen Umständen
Das Alter, gesundheitliche Beeinträchtigungen oder eine eingeschränkte Schuldfähigkeit des Täters können ebenfalls als mildernde Faktoren gelten. Jüngere Täter oder Menschen, die aufgrund von Krankheiten oder psychischen Störungen in ihrer Fähigkeit, das Unrecht der Tat zu erkennen, beeinträchtigt sind, können eine mildere Strafe erwarten. - Tat unter besonderen seelischen Belastungen
Taten, die unter extremen emotionalen Belastungen wie Wut, Angst oder Verzweiflung begangen werden, können als weniger verwerflich angesehen werden, wenn diese Belastungen die Handlung motivierten. - Freiwillige Schadenswiedergutmachung und Selbstanzeige
Wenn der Täter den Schaden freiwillig wiedergutmacht oder sich der Polizei stellt, kann dies ebenfalls strafmildernd berücksichtigt werden. Dies deutet auf eine Bereitschaft zur Verantwortung und kann als positive Entwicklung angesehen werden. - Das Verhalten des Tatopfers
Strafmildernd kann berücksichtigt werden, wenn der Täter vom Opfer provoziert wurde, das Opfer besonders leichtsinnig war oder die Tat das Opfer nur in geringem Maße beeinträchtigt.
Strafschärfende Umstände: Wann wird das Strafmaß erhöht?
Strafschärfende Umstände führen dagegen zu einer Erhöhung des Strafmaßes. Sie werden berücksichtigt, wenn das Verhalten des Täters besonders schwerwiegend ist oder er die Tat unter erschwerenden Bedingungen begangen hat. Das Ziel hierbei ist es, eine härtere Strafe zu verhängen, um den besonderen Unrechtsgehalt der Tat widerzuspiegeln.
- Vorsätzliches Handeln
Ein vorsätzliches Handeln des Täters wird grundsätzlich als schwerwiegender angesehen als fahrlässiges Verhalten. Wenn der Täter bewusst und absichtlich handelt, wird dies als besonders verwerflich betrachtet und kann zu einer höheren Strafe führen. Im Gegensatz dazu wird fahrlässiges Handeln in der Regel milder bestraft.
Zu beachten ist grundsätzlich der bei der Tat an den Tag gelegte Wille. Strafschärfend wirkt sich aus, wenn die Tat von langer Hand und sorgfältig geplant war, wenn sich der Täter unbeeindruckt von Vorstrafen zeigt oder sich bei der Tat maskiert. - Grausame oder heimtückische Tatbegehung
Wenn der Täter die Tat mit besonderer Grausamkeit, Heimtücke oder unter besonders perfiden Umständen begangen hat, wird dies als strafschärfend gewertet. Beispielsweise können Taten, die einen hohen Grad an Brutalität oder heimliches Vorgehen beinhalten, zu einer erheblichen Erhöhung des Strafmaßes führen. - Wiederholungstäter und einschlägige Vorstrafen
Ein Täter, der wiederholt straffällig wird, insbesondere wenn er ähnliche Delikte wie in der Vergangenheit begeht, muss mit einer höheren Strafe rechnen. Das Ziel ist es, Wiederholungstäter abzuschrecken und zu verhindern, dass sie weiterhin strafbare Handlungen begehen. - Besondere Hinterlist oder Vertrauensbruch
Ein strafschärfender Faktor ist auch der Missbrauch von Vertrauen. Wenn der Täter die Tat ausnutzt, indem er eine besondere Vertrauensstellung (etwa als Lehrer, Arzt oder Arbeitgeber) missbraucht, wird dies als besonders schwerwiegender angesehen. - Beteiligung an einer Straftat in einer Gruppe
Wird eine Straftat gemeinsam mit anderen begangen, kann dies die Strafe erhöhen. Die Zusammenarbeit mit Mittätern wird häufig als Zeichen besonderer krimineller Energie gewertet, was das Strafmaß steigern kann. - Verwendung gefährlicher Mittel
Wenn bei der Tat besonders gefährliche oder brutale Mittel eingesetzt werden, wie Waffen oder gefährliche Werkzeuge, wird dies ebenfalls als strafschärfender Umstand berücksichtigt. Das erhöhte Gefährdungspotential, das von solchen Mitteln ausgeht, rechtfertigt eine höhere Strafe. - Taten aus niedrigen Beweggründen
Besonders verwerflich ist es, wenn der Täter aus niederträchtigen oder egoistischen Motiven handelt, wie etwa Rache, Neid oder Habgier. Solche Beweggründe erhöhen die Schwere der Tat und führen zu einer höheren Strafe. - Tat unter Alkoholeinfluss oder Drogenmissbrauch (wenn der Täter nicht vollständig schuldunfähig ist)
Obwohl Drogen- oder Alkoholkonsum in einigen Fällen als mildernder Umstand berücksichtigt werden kann, ist es strafschärfend, wenn der Täter wissentlich unter Drogen- oder Alkoholeinfluss eine Tat begeht, die durch den Rausch noch verstärkt wird. - Beweggründe
Strafschärfend wirken sich insbesondere rassistische, fremdenfeindliche oder menschenverachtende Motive aus. Menschenverachtend können beispielsweise Taten gegen eine bestimmte Personengruppe, wie Frauen oder Behinderte, sein.
Fazit
Im deutschen Strafrecht sind sowohl strafmildernde als auch strafschärfende Umstände entscheidend für die Bestimmung des Strafmaßes. Während strafmildernde Faktoren, wie ein Geständnis oder Reue zu einer Verringerung der Strafe führen können, erhöhen strafschärfende Umstände wie vorsätzliches Handeln, Grausamkeit oder die Wiederholung von Straftaten die Strafe. Das Gericht wägt diese Umstände ab, um eine gerechte Strafe zu verhängen, die sowohl der Tat als auch dem Täter gerecht wird.
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![von Kübra Görkem](/files/newsautoren/kuebra-goerkem_200x200.jpg)
Kübra Görkem
Angestellte Rechtsanwältin
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