Unrechtmäßige Tariferhöhung bei der privaten Krankenversicherung
Das Landgericht Potsdam hat mit Urteil vom 18.10.2016 - 29 C 122/16 - entschieden, dass die Erhöhung zweier Tarife einer privaten Krankenversicherung unwirksam erfolgt ist. Das Gericht stellte fest, dass der Versicherungsnehmer die Erstattung der überzahlten Prämien fordern kann und nicht länger zur Zahlung der Tariferhöhungen verpflichtet ist.
Auch wenn die Tariferhöhung schon längere Zeit zurück lag, sah das Gericht hier keine Verjährung der Ansprüche des Klägers.
Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) schreibt vor, dass eine Tariferhöhung durch einen unabhängigen Treuhänder zu überprüfen ist. Dieser unabhängige Treuhänder muss der Tariferhöhung zustimmen.
203 Abs. 2. S. 1 VVG:
„Ist bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat.“
Das LG Potsdam sah es als erwiesen an, dass der Treuhänder, den der Versicherer beauftragt hatte, nicht unabhängig war.
Der beauftragte Treuhänder erhielt regelmäßig Aufträge von dem Versicherer, so dass dieser als Großmandant bezeichnet werden konnte. Das Gericht legte bei seiner Entscheidung zugrunde, dass der Treuhänder mit einem Einkommen aus den Aufträgen der Versicherung in Höhe von bis zu 150.000,- € jährlich rechnen konnte. Der Versicherer konnte nicht darlegen, dass der Treuhänder noch über ausreichende andere Einkommensquellen verfügte, um seine Unabhängigkeit nicht zu verlieren. Die Überprüfungen und Zustimmungen zu den Tariferhöhungen fanden somit nicht mehr durch einen unabhängigen Treuhänder statt. Die Tariferhöhungen sind somit nicht wirksam erfolgt.
Das Gericht hat ausführlich begründet, warum die Unabhängigkeit des Treuhänders gewährleistet sein muss:
„Er wird im Rahmen von einseitigen Versicherungsanpassungen durch das Versicherungsunternehmen aktiv. Seine Einschaltung soll sicherstellen, dass Versicherungsnehmer nicht unangemessen benachteiligt werden (Präve, VersR 1995, 733,737; Buchholz, VersR 2005, 866, 868). Er nimmt demnach wesentlich die Interessen der Gesamtheit der Versicherungsnehmer wahr und bringt sie in einen Ausgleich mit den Interessen des Versicherers (Wedler VW 1997, 447, 448). Seiner so umschriebenen Funktion kann er aber nur gerecht werden, wenn man das vom Gesetzgeber aufgestellte Merkmal der Unabhängigkeit des juristischen Treuhänders von dem Versicherungsunternehmen streng versteht (Buchholz a.a.O. m. w.N.). Das Erfordernis der Unabhängigkeit soll sicherstellen, dass der Treuhänder tatsächlich die Interessen der Versicherten übernimmt und berücksichtigt und gegenüber dem Versicherer durchsetzt.“
Befindet sich der Treuhänder in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zu der Versicherung, z. B. aufgrund der Anzahl der erteilten Mandate oder der Vergütungshöhe, besteht die Gefahr, dass der Treuhänder die Interessen der Versicherten nicht mehr durchzusetzen vermag, da er nicht mehr in der Lage wäre, einen Mandats- oder Vergütungsausfall zu kompensieren.
Völlig zu Recht hat das LG Potsdam daher einen strengen Maßstab für die Beurteilung herangezogen, um einen hinreichenden Schutz für die Gemeinschaft der Versicherten zu gewährleisten.
Es wird sich zeigen, ob diese Entscheidung eine Einzelfallentscheidung bleibt, oder ob nun eine Vielzahl von Tariferhöhungen der Versicherer fallen wird. Eine Überprüfung der eigenen Tariferhöhung kann jedenfalls lohnenswert sein.
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Alexander Münch
Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.
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