Verbraucherfreundliches BGH-Urteil zu vorvertraglicher Anzeigepflicht
Bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, diverse Gesundheitsfragen nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten. Die Rede ist von der sogenannten „vorvertraglichen Anzeigepflicht“. Diese fordert gemäß Paragraph 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), dass der Versicherungsnehmer sämtliche bekannte Gefahrumstände angeben muss, „die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind.“
Beantwortet der Versicherungsnehmer die Fragen nicht wahrheitsgemäß, kann der Versicherer beispielsweise vom Vertrag zurücktreten. Paragraph 19 Abs. 4 VVG erlaubt in diesem Zusammenhang auch eine rückwirkende Vertragsanpassung. Diese ist allerdings nur unter strengen Bedingungen erlaubt. Wie streng diese Bedingungen sind, bekräftigte zuletzt ein Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. September 2019 (Az. IV ZR 247/18), der die Grenzen der vorvertraglichen Anzeigepflicht noch einmal klar hervorhob.
Der verhandelte Fall
Eine andere Erkrankung des Mannes führte später dazu, dass er von 2013 bis 2015 Leistungen aus der BU in Anspruch nahm. Im Zuge dessen wurde der Versicherer darauf aufmerksam, dass die Wadenfraktur doch nicht so einfach gewesen war, sondern eine Beteiligung des Knöchels umfasste. Infolgedessen nahm der Versicherer eine Vertragsanpassung vor und schloss rückwirkend alle Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit vom Versicherungsschutz aus, die auf die Verletzung des linken Knöchels zurückzuführen waren. Der Versicherer berief sich dabei auf Paragraph 19 Absatz 4 Satz 2 Versicherungsvertragsgesetz, laut dem Veränderungen auch bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung Vertragsbestandteil werden können.
Verfahren mit mehreren Instanzen
Der Versicherungsnehmer wollte diese Minderung seines Versicherungsschutzes nicht hinnehmen und klagte gegen die nachträgliche Vertragsänderung seitens der Versicherung. Seine Klage hatte sowohl vor dem Landgericht Landshut Erfolg (Az. 73 O 3522/16) als auch in zweiter Instanz vor dem OLG München (Az. 25 U 851/18).
Die Gerichte verwiesen in ihren Entscheidungen auf die Fristenregelung gemäß § 21 Abs. 3 VVG. Dementsprechend muss der Versicherer seine sich aus § 19 VVG ergebenden Rechte spätestens fünf Jahre nach Vertragsabschluss geltend machen, da sein Anspruch andernfalls erlischt. Der Versicherer hatte die Vertragsänderung aber erst 2014 vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist von fünf Jahren bereits verstrichen. Zudem stünde, so die Gerichte, der 2013 eingetretene Versicherungsfall nicht in Verbindung mit dem Bruch aus dem Jahr 2008, sodass es auch nicht zu einer Fristverlängerung gekommen sei.
Revision vor dem BGH
Der Versicherer wollte sich mit den Urteilen der Vorinstanzen nicht zufriedengeben und legte Revision vor dem Bundesgerichtshof ein. Doch dieser folgte der Rechtsprechung der anderen Gerichte und stellte in einem Hinweisbeschluss klar, dass der zuständige Senat plane, die Revision zurückzuweisen. Dem Versicherungsnehmer könne keine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung vorgeworfen werden, da er nach bestem Wissen und Gewissen alle Informationen zur Verfügung gestellt habe. Dass der Bruch des linken Wadenbeins eine Beteiligung des Gelenks beinhaltete, habe er zu dem Zeitpunkt nicht gewusst. Etwas anderes habe der Versicherer in dem Verfahren nicht nachweisen können. Dementsprechend sei die Vertragsanpassung als unzulässig anzusehen, so der BGH. Die Ausschlussklausel müsse wieder aus dem Vertrag entfernt und sämtliche sich daraus ergebenden Änderungen rückgängig gemacht werden. Daraufhin zog der Versicherer die Revision zurück.
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Guido Lenné
Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.
Rechtsanwalt Lenné ist auch Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.
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