02. August 2023

Verhaltensbedingte Kündigung: Wann ist sie gerechtfertigt?

Wenn Mitarbeiter sich nicht an die Regeln halten, darf ihnen verhaltensbedingt gekündigt werden – vorausgesetzt, es handelt sich um eine relevante Pflichtverletzung. Laut Kündigungsschutzgesetz (KSchG), das für Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern gilt, dürfen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern nur aus drei Gründen ordentlich kündigen: personenbedingt, betriebsbedingt und verhaltensbedingt.

Was genau ist eine verhaltensbedingte Kündigung?

Eine verhaltensbedingte Kündigung kann dann erfolgen, wenn ein Mitarbeiter bewusst seine Vertragspflichten nicht erfüllt bzw. dagegen verstößt. Die Kündigung erfolgt also aufgrund des willensgesteuerten Verhaltens des Mitarbeiters. Ihm wird dann ein Pflichtverstoß gegen das Arbeitsverhältnis vorgeworfen.

In solchen Fällen ist der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet, den Mitarbeiter abzumahnen, bevor er ihn verhaltensbedingt kündigt. Allerdings kann es sein, dass die Kündigung im Zweifelsfall vor einem Arbeitsgericht nicht standhält, wenn keine vorherige Abmahnung erfolgt ist. Laut Bundesarbeitsgericht ist eine Kündigung ohne Abmahnung gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer davon ausgehen musste, dass der Arbeitgeber das Fehlverhalten keinesfalls toleriert, etwa bei sexueller Belästigung. Wird eine Abmahnung ausgesprochen, muss sie den Mitarbeiter konkret auf sein Fehlverhalten hinweisen und klarstellen, dass ihm im Wiederholungsfall die Kündigung droht.

Welche Pflichtverstöße rechtfertigen eine verhaltensbedingte Kündigung?

Es gibt verschiedene Pflichtverstöße, die eine verhaltensbedingte Kündigung nach sich ziehen können. Je schwerwiegender das Vergehen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Kündigung vor einem Arbeitsgericht besteht. Folgende Pflichtverstöße rechtfertigen eine verhaltensbedingte Kündigung:

  • Diebstahl: Wird ein Mitarbeiter dabei erwischt, dass er Firmeneigentum stiehlt, macht er sich strafbar und kann fristlos gekündigt werden. Eine fristlose Kündigung ist hingegen nicht zulässig, wenn langjährige Mitarbeiter einmalig Gegenstände von geringem Wert stehlen. Dann dürfen sie lediglich abgemahnt werden.
  • Untreue: Arbeitsverträge verbieten, dass Angestellte für Konkurrenten arbeiten. Tun sie das dennoch, ist eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt. Geben sie Geschäftsgeheimnisse an Konkurrenten weiter, kann sogar eine fristlose Kündigung erfolgen.
  • Krankfeiern: Wenn Mitarbeiter ständig unentschuldigt fehlen oder sich fälschlicherweise krankmelden, rechtfertigt auch das eine fristlose Kündigung. Allerdings ist dieser Fall für Arbeitgeber schwer nachzuweisen.
  • Arbeitszeit- und Spesenbetrug: Verbuchen Mitarbeiter mehr Stunden, als sie wirklich geleistet haben – und erhalten dadurch u. U. mehr Gehalt –, können sie verhaltensbedingt gekündigt werden.
  • Arbeitsverweigerung: Wenn ein Mitarbeiter nachweislich absichtlich gar nicht oder deutlich weniger arbeitet, stellt das eine Pflichtverletzung dar. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Angestellte an einem organisierten Streik teilnimmt oder die Arbeit verweigert, weil diese seine Gesundheit gefährden könnte. In dem Fall entscheiden Gerichte oft zugunsten der Arbeitnehmer.
  • Nichteinhaltung vorgeschriebener Arbeitszeiten: Kommt ein Mitarbeiter wiederholt zu spät oder geht früher, missachtet er seine Pflicht gegenüber dem Arbeitgeber.
  • Sexuelle Belästigung: Wenn ein Mitarbeiter einen Kollegen sexuell belästigt, kann er ohne vorherige Abmahnung fristlos entlassen werden.
  • Beleidigung & Mobbing: Beleidigt oder mobbt ein Mitarbeiter wiederholt einen oder mehrere Kollegen, beleidigt seinen Vorgesetzten, gibt rassistische Äußerungen ab oder wird gar handgreiflich, kann er verhaltensbedingt gekündigt werden.
  • Private Handy- und Internetnutzung am Arbeitsplatz: Viele Arbeitgeber dulden dies, solange es nicht überhandnimmt. Manche Arbeitsverträge verbieten die private Handy- und Internetnutzung allerdings komplett. In dem Fall ist bei Zuwiderhandlung, trotz Abmahnung, eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt.
  • Verstoß gegen die Betriebsordnung: Verstoßen Arbeitnehmer gegen die Betriebsordnung, ist eine verhaltensbedingte Kündigung ebenfalls gerechtfertigt. Ein solcher Verstoß kann z. B. der Konsum von Alkohol am Arbeitsplatz sein, die Annahme großer Geschenke von Kunden bzw. Geschäftspartnern oder das Bedienen von Maschinen ohne vorgeschriebene Schutzkleidung.

Was muss bei einer verhaltensbedingten Kündigung beachtet werden?

Eine verhaltensbedingte Kündigung muss immer das letzte Mittel sein. In den meisten Fällen heißt das, dass der Mitarbeiter eben doch zunächst abzumahnen ist. Außerdem muss der Arbeitgeber überlegen, ob sich das Problem erledigt, wenn er den Mitarbeiter an anderer Stelle im Unternehmen einsetzt. Es gilt zudem zu erwägen, wie schwer die Pflichtverletzung war, wie wahrscheinlich eine Wiederholung ist und ob die Kündigung, gemessen an der Schwere des Verstoßes, tatsächlich gerechtfertigt ist.

In der Regel handelt es sich bei einer verhaltensbedingten Kündigung um eine ordentliche Kündigung. Das heißt, die vertraglichen Kündigungsfristen sind einzuhalten. Rechtfertigt der Verstoß eine fristlose Kündigung, muss der Arbeitgeber dem Angestellten innerhalb von zwei Wochen, nachdem er von Pflichtverletzung erfahren hat, kündigen.

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber bei einer verhaltensbedingten Kündigung nicht verpflichtet, im Kündigungsschreiben einen Grund anzugeben. Ausnahme: Es handelt sich um einen Mitarbeiter, der Sonderkündigungsschutz genießt, also beispielsweise bei Mitarbeitern in Elternzeit, Mutterschutz oder mit schwerer Behinderung. Es gibt zudem Tarifverträge, die die Angabe des Kündigungsgrunds vorschreiben.

Verhaltensbedingte Kündigung: sinnvolles Mittel oder Carte blanche für Arbeitgeber?

Begeht ein Mitarbeiter bewusst einen schweren Pflichtverstoß, ist die verhaltensbedingte Kündigung ein angemessenes Mittel, um das Wohlergehen des Unternehmens zu sichern. Doch in manchen Fällen ist die Kündigung auch unangemessen. Insbesondere in Kleinbetrieben mit zehn oder weniger Mitarbeitern, für die nicht der gesetzliche Kündigungsschutz besteht, können Arbeitgeber die verhaltensbedingte Kündigung nutzen, um Low-Performer loszuwerden.

In solchen Fällen sollten Arbeitnehmer sich gegen die Kündigung wehren. Sie können innerhalb von drei Wochen gegen die Kündigung klagen. Landet eine Kündigungsschutzklage vor Gericht, sind zwei Fragen entscheidend: War der Verstoß so gravierend, dass eine Kündigung angemessen ist? Wurde der Mitarbeiter wegen seines Verhaltens abgemahnt, bevor ihm gekündigt wurde? In vielen Fällen stuft das Arbeitsgericht das Fehlverhalten als nicht so dramatisch ein und kommt zu dem Schluss, dass eine Abmahnung ausgereicht hätte.

In der Anwaltskanzlei Lenné vertreten wir Arbeitnehmer, die vorschnell bzw. zu Unrecht eine verhaltensbedingte Kündigung erhalten haben. Wir wissen genau, wo häufig von Arbeitgeberseite Fehler gemacht werden, welche die Chancen des Arbeitnehmers vor Gericht deutlich erhöhen. Wenn Sie eine Kündigung erhalten haben, beraten wir Sie gerne. Nutzen Sie hierfür einfach unser kostenloses Erstgespräch.

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von Anna-Lucia Kürn
Anna-Lucia Kürn

Angestellte Rechtsanwältin

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