14. Dezember 2022

Wegweisende Urteile zur privaten Unfallversicherung – Teil 1

Insbesondere bei der privaten Unfallversicherung ist es kaum möglich, sämtliche Eventualitäten in den Versicherungsbedingungen zu berücksichtigen. Dementsprechend kommt es nicht selten zu Streitigkeiten darüber, ob die Versicherung einen bestimmten Schaden zu übernehmen hat oder nicht – und wenn ja, in welcher Höhe. Gerichtsurteilen kommt daher in diesem Zusammenhang oft eine wegweisende Rolle zu. Wir haben für Sie sechs Urteile der letzten Jahre zusammengefasst, die in Bezug auf die private Unfallversicherung von Bedeutung sind.

Urteil 1: Der Invaliditätsgrad ist individuell zu bewerten

Um nach einem Unfall den Invaliditätsgrad – und dementsprechend die Versicherungsleistung – zu bemessen, werden in der Praxis häufig Standard-Tabellenwerke herangezogen. Ob solche pauschalen Tabellen aber dem Einzelfall wirklich gerecht werden und zur Festlegung nicht eher eine individuelle Prüfung durchgeführt werden sollte, war eine Frage, mit der sich das Landgericht Krefeld 2021 zu befassen hatte (Az.: 2 O 170/19).

Bei einem Skiunfall hatte sich die Klägerin schwere Beinverletzungen zugezogen. Dadurch kam es zu einer Fehlstellung und einer Arthrose. Die Unfallversicherung ging von einer Invalidität von 21 % aus, ein von der Klägerin eingeholtes Privatgutachten hingegen von 35 %. Das LG Krefeld urteilte zugunsten der Klägerin. Für die Bemessung des Invaliditätsgrades seien nicht mögliche Funktionsbeeinträchtigungen aus einer pauschalen Liste maßgeblich, sondern die tatsächlichen Beeinträchtigungen, die sich nachteilig auf den praktischen Gebrauch eines Körperteils auswirken. Entscheidend sei allein, dass bestimmte Bewegungen nicht mehr ausgeführt werden können. Im Ergebnis wurden eine Invalidität von 34,5 % und ein Leistungsanspruch von 53,5 % der Versicherungssumme festgestellt.

Urteil 2: Unfälle durch Eigenbewegungen nicht versichert

In der Unfallversicherung sind Unfälle durch Eigenbewegungen nicht abgedeckt. Laut Definition liegt ein Unfall nur vor, wenn „ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig zu einem Körperschaden führt.“ Knickt man also beispielsweise einfach so beim Laufen um, wurde der Unfall durch eine Eigenbewegung verursacht und wird von der Versicherung nicht übernommen.

Vor dem Kammergericht Berlin wurde 2014 ein Fall verhandelt (Az.: 6 U 54/14), in dem eine Tennisspielerin beim Spiel umgeknickt war und dauerhafte Schäden davongetragen hatte. Als Ursache für das Umknicken machte sie feuchtes Laub verantwortlich, auf dem sie ausgerutscht sei. Beweisen konnte sie den Tatbestand jedoch nicht. Deshalb ging das Gericht von einer Eigenbewegung aus und die Tennisspielerin ging aufgrund mangelnder Beweise leer aus.

Urteil 3: Dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens muss stattgegeben werden

2021 hob das Oberlandesgericht Nürnberg (Az.: 8 U 1139/21) ein Urteil des LG Nürnberg-Fürth auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück. In dem Rechtsstreit ging es um die Frage, ob die medizinischen Voraussetzungen für den Bezug einer privaten Unfallrente gegeben seien. Die beklagte Versicherung hatte die Ansprüche des Versicherungsnehmers nach einem von ihr eingeholten Fachgutachten wegen nicht ausreichender Invalidität abgewiesen. Der Kläger hatte ebenfalls ein Privatgutachten eingeholt, doch auch dieses ergab keine Invalidität von den nötigen 50 %. Der Kläger beantragte daher vor Gericht ein erneutes Sachverständigengutachten. Das Landgericht lehnte dies ab und entschied zugunsten des Versicherers.

Das OLG Nürnberg sah darin jedoch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG). Der Kläger habe den Beweisantrag auf Einholung eines Gutachtens ordnungsgemäß gestellt, doch das Landgericht war dem nicht nachgegangen. Selbst wenn aufgrund der bereits vorliegenden Gutachten davon auszugehen sei, dass auch ein drittes Gutachten zu keinem anderslautenden Ergebnis kommen würde, müsse dem Beweisantrag nachgegangen werden. Ansonsten läge eine unzulässige, vorweggenommene Beweiswürdigung und folglich ein Verstoß gegen § 286 Abs.1 ZPO vor. Sämtliche erforderlichen Beweismittel müssen demnach ausgeschöpft werden.

Es gibt zahlreiche Faktoren, die die Leistungserbringung einer Unfallversicherung beeinträchtigen können. Dabei gilt es nicht nur, die Bedingungen der Versicherungspolice genauestens zu berücksichtigen, sondern auch die individuellen Rahmenbedingungen des Unfalls sowie mögliche Präzedenzfälle. In unserer Kanzlei kennen wir diese Parameter genau und beraten Sie gerne zu Ihrem persönlichen Fall. Um Ihre Ansprüche bestmöglich durchzusetzen und böse Überraschungen zu vermeiden, raten wir dazu, sich frühestmöglich von uns beraten zu lassen. Nutzen Sie dafür gerne das kostenlose Erstgespräch in unserer Kanzlei. Weitere maßgebliche Urteile im Zusammenhang mit der privaten Unfallversicherung stellen wir Ihnen im zweiten Teil des Artikels vor. Diesen finden Sie hier.

Guido Lenné
Guido Lenné

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.
Rechtsanwalt Lenné ist auch Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.

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