19. Mai 2017

Was tun wenn das Jobcenter vor der Haustüre steht?

Manchmal kommt es richtig dicke. Wer arbeitslos wird und wem es dann nicht gelingt, innerhalb der Jahresfrist von ALG I einen neuen Job zu finden, rutsch zwangsläufig in den Bezug von Hartz IV ab. Um Hartz IV, wie das ALG II landläufig genannt wird zu beantragen, müssen die Vermögensverhältnisse offen gelegt werden. Wenn dann das Jobcenter Zweifel hat, ob die Angaben, die bei der Antragsstellung gemacht wurden, der Realität entsprechen, ist es nicht ungewöhnlich, dass irgendwann vor der Haustüre des Antragstellers ein Mitarbeiter des Jobcenters steht und Einlass begehrt.  

So etwas kann immer dann passieren, wenn das Jobcenter den Verdacht hegt, dass Leistungen erschlichen werden sollen. Fachleute berichten, dass solche „Hausbesuche“ in den letzten Jahren zunahmen. Zielsetzung aus Sicht des Jobcenters ist es, im Rahmen der Gewährung von Hartz IV die aktuelle Wohnsituation des Antragsstellers zu überprüfen. Aber… darf das Jobcenter das überhaupt? Und… müssen Sie als Betroffener die Jobcenter-Mitarbeiter überhaupt in Ihre Wohnung lassen? Wie ist hier die Rechtslage? Und wie kann man sich gegen dieses Eindringen in seine Privatsphäre zur Wehr setzen?

Unter Verdacht

Das Aufsuchen eines Hartz IV Beziehers in dessen Wohnung gehört bei der Bewilligung von ALG II nicht zur Standardroutine. Dies passiert erst dann, wenn das Jobcenter an den Auskünften eines Antragstellers zweifelt. So etwas kommt vor, wenn dem Jobcenter beispielsweise Hinweise aus der Nachbarschaft oder von Dritten vorliegen: Es wird kolportiert, dass der Antragsteller noch über "unangemessene Vermögenswerte", dazu gehören beispielsweise wertvolle Kunstwerke oder teure Luxusuhren, verfügt. Oder er würde nicht nur in einer Wohngemeinschaft leben, sondern auch das Bett und die Haushaltskasse teilen. Somit wird einerseits dem Denunziantentum Tür und Tor geöffnet, andererseits machten aber auch spektakuläre Fälle von Leistungsbetrug die Runde. Deshalb sind die Jobcenter gelegentlich der Ansicht, dass solche Fragen nur dann hinreichend beantwortet werden können, indem der Antragsteller zu Hause aufgesucht wird.

Die eigene Wohnung genießt besonderen Schutz

Die eigene Wohnung ist durch das Grundgesetz besonders geschützt (Art. 13 GG). Selbst die Polizei benötigt einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss, wenn sie eine Wohnung betreten will. Somit müssen auch Behörden die Unverletzlichkeit der Wohnung berücksichtigen, wenn sie eine sogenannte „Inaugenscheinnahme“ durchführen wollen. Wenn ein Verdacht besteht, muss dieser sowohl besonders begründet und kann auch nur das allerletzte Mittel sein, um den Verdacht entweder auszuräumen oder zu bestätigen. Reine Neugierde des Jobcenters ist also kein zulässiges Motiv.

Damit eine solche Maßnahme erfolgsversprechend ist, verbietet sich in aller Regel natürlich auch die Vereinbarung von Besuchsterminen. Andernfalls könnte der Betroffene entsprechende Vorbereitungen treffen. Der Jobcenter-Mitarbeiter muss sich mit seinem Dienstausweis ausweisen, er muss einen Prüfauftrag vorweisen und erläutern, warum dieser Besuch notwendig wurde.

Und dann muss der Betroffene für sich die entscheidende Frage beantworten: Soll er den Mitarbeiter in die Wohnung lassen - oder eben nicht? Denn ein Recht auf das Betreten der Wohnung haben die Mitarbeiter des Jobcenters nicht.

Rein oder raus? Wie würden Sie entscheiden?

Sie können Ihrem ungebetenen Besucher die Türe weisen. Wenn Sie meinen, dass Sie nichts zu verbergen haben, könnten Sie ihn auch hereinbitten. Oder Sie fühlen sich überrumpelt und haben Angst, dass Sie bei einer Abweisung noch mehr unter Verdacht geraten.

Ist Abweisung ein Schuldanerkenntnis?

Nur weil Sie bei einem solchen Blitzbesuch des Jobcenters den Mitarbeiter nicht hereinlassen, darf das Jobcenter noch keine negativen Rückschlüsse ziehen. Zunächst mal muss dieses sogenannte belastbare Beweise liefern, bevor Leistungen nur auf Verdacht hin gekürzt werden. Auch wenn Sie deutlich machen, dass Sie auf die Unverletzlichkeit Ihrer Wohnung beharren, begründet das noch nicht den Betrugsverdacht. Kurz gesagt: Wenn Sie auf einen völlig unerwarteten Überraschungsbesuch ablehnend reagieren, dürfen Sie nicht bestraft werden.

Aber: Als Leistungsempfänger sind Sie laut Sozialgesetzbuch verpflichtet, an der Aufklärung von Sachverhalten mitzuwirken. Ihre grundsätzliche Kooperationsbereitschaft darf also aus Sicht des Jobcenters nicht angezweifelt werden. Bezogen auf den Einzelfall kann das auch bedeuten, dass sich Mitarbeiter des Jobcenters in Ihrer Wohnung umschauen müssen, damit Sie auch weiterhin den vollen Leistungsbezug erhalten.

  • Dazu gehört aber auch, dass Sie vorab schriftlich über Ihre Mitwirkungspflichten informiert werden. Wenn Sie dann einen Besuch verweigern, kann sich das nachteilig auswirken.

Wie auch immer… unangenehm ist ein solches Procedere so oder so. Alleine schon, dass ein Verdacht gegen Sie im Raum steht, gestaltet die weiteren Abläufe nicht unbedingt einfacher. Deshalb haben Sie auch in jedem Fall das Recht auf einen Beistand. Eine Person Ihres Vertrauens kann Sie zu Terminen im Jobcenter begleiten oder Ihnen beistehen, wenn man Sie in Ihrer eigenen Wohnung aufsuchen will.

Wenn Sie sich allerdings Ihrer rechtlichen Situation nicht sicher sind oder Sie der Meinung sind, dass der Ihnen gegenüber geäußerte Verdacht ungerechtfertigt ist, dann sollten Sie unbedingt einen Anwalt zu Rate ziehen. Dies gilt spätestens dann, wenn Leistungen gekürzt werden. Gerne unterstützen wir Sie, wenn Sie Ärger mit dem Jobcenter haben. Rufen Sie uns an unter 0214 - 90 98 400 und vereinbaren Sie einen kostenfreien Termin für eine Erstberatung.

Guido Lenné
Guido Lenné

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.
Rechtsanwalt Lenné ist auch Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.

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