01. November 2015

Widerruf unzulässig, verwirkt oder rechtsmissbräuchlich? Die Behauptung der Bank wird widerlegt - Teil 2

Mit unserem Bericht vom 23.08.2015 „Widerruf unzulässig, verwirkt oder rechtsmissbräuchlich? Die Behauptung der Bank wird widerlegt - Teil 1“ hatten wir ausführlich dargelegt, warum das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht dem Einwand der Verwirkung unterliegt. Mit Teil 2 des Beitrages möchten nun näher auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs eingehen.

Der Einwand des Rechtsmissbrauchs und auch der Einwand der Verwirkung sind ein Unterfall des Einwands der unzulässigen Rechtsausübung aus § 242 BGB. Die Argumente gegen eine Verwirkung lassen sich daher ausnahmslos auch auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs übertragen.

Die Banken behaupten in der Regel, der Verbraucher würde das Darlehen nur widerrufen, um von der derzeitigen Niedrigzinsphase profitieren zu können. Der Widerruf des Verbrauchers beruhe daher auf Erwägungen, die nicht mehr vom Sinn und Zweck des Widerrufsrechts gedeckt wäre. Die Ausübung des Widerrufsrechts soll daher rechtsmissbräuchlich sein.

Der Bank steht der Einwand des Rechtsmissbrauchs jedoch nicht zu:

1. Anwendungsvorrang des § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F.

Zunächst steht dem Einwand des Rechtsmissbrauchs bzw. der unzulässigen Rechtsausübung der Anwendungsvorrang des § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. entgegen. Die Begründung ist gleich der Begründung zum Anwendungsvorrang bei der Verwirkung, in unserem Artikel vom 23.08.2015.

Es liegt mit § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. in Verbindung mit den einschlägigen Übergangsvorschriften zum Widerrufsrecht eine abschließende Sonderregelung vor.

2. Darlegungs- und Beweislast / kein Rechtsmissbrauch aus prozessuale Gründen

In der Regel stellen die Banken mit ihren Behauptungen über den Beweggrund zum Widerruf lediglich Behauptungen ins „Blaue“ hinein auf. Konkrete Anhaltspunkte, aus denen man im Einzelfall auf das Motiv des Verbrauchers schließen könnte, werden in der Regel nicht vorgelegt.

Wie sollte die Bank dies auch tun, denn was den Verbraucher letztlich tatsächlich zum Widerruf bewogen hat, weiß letztlich nur dieser selbst. Einzig die Tatsache, dass der Verbraucher den Widerruf nicht schon früher erklärt hat, lässt jedenfalls nicht den Schluss zu, dass der Widerruf aus rechtsmissbräuchlichen Gründen geschieht. Die Banken sprechen hier gerne vom Missbrauch des „Widerrufsjokers“.

Da es sich juristisch betrachtet, um unsubstantiierte Behauptungen ins „Blaue“ hinein handelt, ist ein solcher Vortrag einer Bank in einem Klageverfahren nach unserer Meinung unbeachtlich.

Die Bank müsste schon ausführlich darlegen, aus welchen Umständen sich auf das innere Motiv des Verbrauchers schließen lässt. Dafür ist jedenfalls ein Hinweis auf die derzeitige Marktlage bei weitem nicht ausreichend.

Nach unserer Meinung müsste die Bank ein Strengbeweismittel im Sinne der ZPO vorlegen, aus dem auf das Motiv geschlossenen werden kann. Etwa ein Zeuge der den Verbraucher hat reden hören, wie er davon erzählt, den Widerruf auszuüben um die Bank zu schädigen. Eine Urkunde aus der sich ergibt, dass der Verbraucher den Widerruf nur ausübt um von dem in der Presse so bezeichneten „Widerrufsjoker“ zu profitieren.

Für die Tatsachen und Umstände die zur Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens führen, ist die Bank vollumfänglich darlegungs- und beweisbelastet. Bereits aus prozessualen Gründen kann sich die Bank damit nicht auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs berufen.

Solange die Bank hierzu in einem Verfahren nicht sehr ausführlich vorträgt und ein Beweismittel vorlegt, kann den Verbraucher auch keine Pflicht treffen, sich zu seinen Beweggründen zu erklären (sog. sekundäre Darlegungslast).

Die Ausübung des Widerrufsrechts steht dem Verbraucher nach § 355 BGB a. F. ausdrücklich ohne die Angabe von Gründen zu. Für eine Abweichung von der gesetzlichen Vorschrift müssten daher schon stichhaltige Gründe vorliegen.

3. Kein Verstoß gegen den Telos der §§ 355, 491, 495 BGB a. F.

Nach der Rechtsauffassung der Banken soll der Widerruf des Verbrauchers gegen den Sinn und Zweck der §§ 355, 491, 495 BGB a. F. verstoßen und daher rechtsmissbräuchlich sein.

Dem kann nicht gefolgt werden, denn die Banken verkennen hier den Sinn und Zweck des § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F.

„(3) Das Widerrufsrecht erlischt spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss. Bei der Lieferung von Waren beginnt die Frist nicht vor dem Tag ihres Eingangs beim Empfänger. Abweichend von Satz 1 erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist, bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen ferner nicht, wenn der Unternehmer seine Mitteilungspflichten gemäß § 312c Abs. 2 Nr. 1 nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.“ (§ 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F.)

Der Gesetzgeber hat zweifelsfrei das Widerrufsrecht der §§ 355, 491, 495 BGB a. F. geschaffen, um den Verbraucher vor einer übereilten Bindung an seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Vertragsentscheidung zu schützen. Dem Verbraucher soll deshalb bei Entscheidungen mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung und Tragweite, wie dem Abschluss eines Verbraucherdarlehens, Gelegenheit gegeben werden, das Darlehensangebot noch einmal zu überdenken (BT-Drucks. 11/5462, S. 21; MünchKommBGB/Schürnbrand, 6. Aufl., § 495 Rn. 1; BGH Urt. v. 28.03.2013 - XI ZR 6/12 -, Rn. 24).

Dabei kann und soll der Verbraucher frei von jeglichen Zwängen sein. Der Verbraucher soll nach Belieben von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen können. Der Widerruf erfordert daher keine Begründung. Das Widerrufsrecht ist das „scharfe Schwert“ des Verbrauchers, soweit der Verbraucherschutz es erfordert besteht das Widerrufsrecht sogar bei einem nichtigen Vertrag oder bei einem bereits gekündigten Vertrag (vgl. Palandt 74. Aufl. 2015, § 355 Rn. 2).

Solange das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht erloschen ist, ist der Vertrag nur schwebend wirksam, d. h. erst mit dem Erlöschen des Widerrufsrechts wird die Willenserklärung des Verbrauchers überhaupt erst endgültig wirksam (vgl. Palandt 74. Aufl. 2015, § 355 Rn. 4).

Zunächst bleibt festzuhalten, dass der Widerruf des Verbrauchers bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung  zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Willenserklärung noch nicht endgültig wirksam ist. Es gilt daher die Anordnung des § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. Dem Verbraucher soll es also nach dem Willen des Gesetzgebers noch möglich sein, sich von seiner ursprünglichen Erklärung zu lösen. Die Banken hingegen haben es jederzeit in der Hand, dies durch eine Nachbelehrung zu ändern.

Die Banken behaupten nun regelmäßig ins „Blaue“ hinein, der Verbraucher würde dann das Widerrufsrecht zweckentfremden und stellen somit die Frage nach dem Grund für den Widerruf. Bereits dies läuft der Systematik des Widerrufsrechts zuwider. Der Widerruf muss nicht von einem bestimmten Grund getragen sein, noch muss der Verbraucher seinen Beweggrund zum Widerruf angeben.

Gem. § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB a.F. erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht oder nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist.

Der § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. („ewiges Widerrufsrecht“) hat eindeutig einen sanktionierenden Charakter. Es ist eben die angeordnete Rechtsfolge, die den Unternehmer dazu zwingen soll eine ordnungsgemäße Belehrung zu erteilen. Damit erfüllt der § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. einen Zweck, der über den Telos des § 355 Abs. 1 BGB a. F. hinausgeht. Hier weitere Gerechtigkeitserwägungen über den Grundsatz von Treu und Glauben einfließen zu lassen und den Beweggrund für die Ausübung des Widerrufsrechts zu dessen Voraussetzung zu machen, läuft dem Telos der Vorschrift zuwider. Dies zeigt auch deutlich, dass sich hier generell die Anwendung von § 242 BGB verbietet, da mit dem § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a. F. eine abschließende Regelung vorliegt.

Der Schutzzweck des Widerrufsrechts überwiegt hier die Belange des Unternehmers. Es soll mit dem „ewigen Widerrufsrecht“ eben auch sichergestellt werden, dass die Unternehmer ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Belehrung nachkommen.

Nach der Ansicht der Banken muss der Verbraucher nun seinen Bewegrund zum Widerruf nennen. Dies muss der Verbraucher dann aber auch innerhalb der ersten zwei Wochen, denn - unterstellt die von den Banken aufgestellten Behauptungen ins „Blaue“ hinein würden zutreffen - wenn der Verbraucher mit gleicher Begründung den Darlehensvertrag innerhalb der Frist des § 355 Abs.  1 S. 2 BGB a. F. widerruft, müsste man gleichwohl zur Rechtsmissbräuchlichkeit des Widerrufs kommen. Die Anwendung des § 242 BGB stünden dann ebenfalls im Widerspruch zur Anordnung des § 355 Abs. 1 BGB a. F.

Das der Widerruf des Verbrauchers erst nach der 2-Wochen-Frist erfolgt, ändert hieran nichts, denn ebenso wie der Gesetzgeber entschieden hat, dass der Widerruf jederzeit ohne Begründung innerhalb von 2 Wochen ausgeübt werden kann, so hat der Gesetzgeber entschieden, dass der Widerruf jederzeit ohne Angabe von Gründen auch nach dem Ablauf von zwei Wochen erfolgen kann, wenn keine ordnungsgemäße Belehrung vorliegt. Dies ist hier der Fall.

Den Beweggrund zum Widerruf über den Umweg des § 242 BGB zur negativen Tatbestandsvoraussetzung zu machen, ist weder mit der Gesetzessystematik noch mit der gesetzgeberischen Intention vereinbar.

Das gesamte Verbraucherschutzrecht ist rein formal geprägt und nicht einzelfallorientiert. Auch dies spricht dagegen, hier den Beweggrund des Klägers zur Voraussetzung des Widerrufs zu machen.

Daneben sind wir der Überzeugung, dass kein Gericht eine angebliche Rechtsmissbräuchlichkeit des Widerrufs ernsthaft in Betracht ziehen würde, wenn der Verbraucher seinen Widerruf in der dritten Woche nach der Abgabe seiner auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung erklärt. Die zeitliche Komponente kann nach der Systematik des Widerrufsrechts jedoch nicht ausschlaggebend sein.

Die Banken führen auch oft an, es wäre in der Praxis eben nicht möglich gewesen eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu erteilen. Die Banken sind hier jedoch nicht schutzwürdig. Der Gesetzgeber hat den Banken Rechtssicherheit gegeben. Will die Bank alle Anforderungen erfüllen, kann sie dies dadurch erreichen, indem sie die Musterbelehrung verwendet. Dieser Versuch des Gesetzgebers den Banken Rechtssicherheit zu geben, wurde lediglich nicht angenommen.

Der § 14 BGB-InfoV gibt unzweifelhaft vor, wie der Unternehmer Rechtssicherheit erlangen kann.

§ 14 BGB-InfoV Form der Widerrufs- und Rückgabebelehrung, Verwendung eines Musters

(1) Die Belehrung über das Widerrufsrecht genügt den Anforderungen des § 355 Abs. 2 und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird.

(2) Die Belehrung über das Rückgaberecht genügt den Anforderungen des § 356 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn das Muster der Anlage 3 verwandt wird.

(3) Verwendet der Unternehmer für die Belehrung das Muster der Anlage 2 oder 3, darf er in Format und Schriftgröße von dem Muster abweichen und Zusätze wie die Firma oder ein Kennzeichen des Unternehmers anbringen.

(4) Belehrt der Unternehmer den Verbraucher ohne Verwendung des Musters der Anlage 2 oder 3 über sein Widerrufs- oder Rückgaberecht, muss er in der Belehrung seine ladungsfähige Anschrift angeben.

Es sind die Banken, die (vielfach) auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 BGB-InfoV verzichtet haben, indem sie eigene Belehrungen entworfen haben oder eben nicht nur in Format und Schriftgröße von dem Muster abgewichen sind.

Wenn eine Bank sich entscheidet nicht die Musterwiderrufsbelehrung zu verwenden und sich eigene Gedanken zur Erteilung einer solchen Widerrufsbelehrung macht, muss sie auch mit den Rechtsfolgen leben.

4. Keine Nachbelehrung

Erteilt eine Bank eine fehlerhafte Belehrung, so hat sie die Möglichkeit durch eine Nachbelehrung ihrer Verpflichtung zu einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung nachzukommen.

Erfüllt die Bank nachträglich ihre Pflicht, so beginnt mit dem Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Belehrung die Monatsfrist des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB a. F. Das ewige Widerrufsrecht erlischt dann also nach der Monatsfrist. Auch hier kommt es nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt nach Vertragsschluss eine solche Nachbelehrung erteilt wird, noch kommt es auf die Motivation des Verbrauchers zum Widerruf an.

Würde man hier einen Grund für den Widerruf fordern, so wäre die Bank die sich gesetzeskonform verhält und nachbelehrt schlechter gestellt, als die Banken, die keine ordnungsgemäßen Nachbelehrung erteilen.

Dass der Gesetzgeber bewusst die Nachbelehrung mit Monatsfrist gewollt hat, zeigt dass die Rechtsauffassung der Bank nicht haltbar ist, denn erfolgt die Nachbelehrung erst nach 14 Tagen, dann ist der ursprüngliche Zeitraum in dem der Verbraucher vor einer Übereilung und Überrumplung geschützt werden soll ebenfalls abgelaufen. Das (einzige) richtige Mittel zur Beendigung des Schwebezustands ist somit die Nachbelehrung und nicht etwa ein Rückgriff auf ein allgemeines Rechtsinstitut aus § 242 BGB.

Es besteht hier ein unauflöslicher Widerspruch zur gesetzlichen Regelung und zum angestrebten Zweck der Rechtsfolge.

Hinsichtlich des Einwands des Rechtsmissbrauchs hat das Landgericht Düsseldorf wie folgt entschieden:

Soweit die Beklagte zudem einwendet, der Widerruf sei rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 242 BGB erfolgt, vermag auch dieser Einwand nicht durchzugreifen. Ist eine Widerrufsbelehrung unwirksam, so weiß der Belehrte regelmäßig nicht, dass er den Vertrag gegebenenfalls noch widerrufen kann. Ein Vertrauenstatbestand zugunsten desjenigen, der die Belehrung nicht bzw. nicht richtig erteilt hat, kann daher regelmäßig nicht entstehen (BGH, Urteil v. 12.12.2005, Az. II ZR 327/04). So entschied der Bundesgerichtshof jüngst mit Urteil vom 05.05.2014 (IV ZR 76/11) im Hinblick auf § 5a VVG a.F., dass die dortige Beklagte schon deshalb kein schutzwürdiges Vertrauen in Anspruch nehmen könne, weil sie die Situation selbst herbeigeführt habe, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilt habe. Ist dem Belehrenden an Rechtssicherheit gelegen, so steht es ihm frei, durch die Nachholung der Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist in Gang zu setzen (Palandt-Grüneberg, BGB-Kommentar 73. Auflage 2014, § 242 Rdnr. 107). Dies ist vorliegend nicht erfolgt.

Die Beklagte hat danach durch ihr eigenes Verhalten - der Verwendung einer unwirksamen Widerrufsbelehrung - dem Kläger ein unbefristet bestehendes Widerrufsrecht eingeräumt. Sie kann sich daher ihrerseits nicht darauf berufen, es sei treuwidrig, dass der Kläger dieses Recht, das sie ihm selbst eingeräumt hat, nunmehr in Anspruch nimmt und ausübt. Bei Ausübung seines Widerrufsrechts innerhalb der Widerrufsfrist hat der Darlehensnehmer weder ein schutzwürdiges Interesse nachzuweisen, noch darzulegen, aus welchen Gründen er sein Widerrufsrecht ausübt, § 355 Abs.1 S. 4 BGB. Dieses Recht muss ihm auch dann zustehen, wenn er sein Widerrufsrecht mangels eines Fristablaufs zu einem späteren Zeitpunkt ausübt. Würde sich die Beklagte auf eine Treuwidrigkeit der Ausübung des durch ihr Verhalten ausgelösten unbefristeten Widerrufsrechts berufen können, würde der Kläger im Ergebnis so gestellt werden, als sei die Widerrufsbelehrung wirksam gewesen und ein Widerrufsrecht nicht (mehr) gegeben. So würde die Belehrung gerade jene Wirkung ausüben, die ihr von Rechts wegen versagt ist und der bezweckte Verbraucherschutz hierdurch unterlaufen werden (vgl. hierzu: BGH Urteil v. 15.05.2014, Az. III ZR 368/13 ).“ (LG Düsseldorf Urt. v. 17.03.2015 - 10 O 131/15 -, Entscheidungsgründe, Hervorhebung durch den Unterzeichner)

5. Fehlende Voraussetzungen für einen Rechtsmissbrauch

Der Einwand des Rechtsmissbrauchs scheitert überdies daran, dass der Verbraucher schon keine Rechtsüberschreitung begeht.

Dem Einwand des Rechtsmissbrauchs ist es immanent, dass der Ausübende ein „Mehr“ an Recht ausübt, als ihm zustehen soll.

Da es dem Verbraucher nicht darauf ankommt die Bank zu schädigen, kann sich die Bank auch nicht auf § 226 BGB (Schikaneverbot) berufen.

Darüber hinaus ergibt sich der Einwand des Rechtsmissbrauchs bzw. der unzulässigen Rechtsausübung aus § 242 BGB.

Aus der Vielzahl der möglichen Anwendungen des Verbots der unzulässigen Rechtsausübung haben sich einige typische Fallgruppen herausgebildet (Palandt 74. Aufl. 2015, § 242 Rn. 42). Hierzu gehören der unredliche Erwerb der eigenen Rechtsstellung und die Verletzung eigener Pflichten (vgl. Palandt 74. Aufl. 2015, § 242 Rn. 43f.).

Der Verbraucher hat nicht unredlich eine eigene Rechtsstellung erlangt. Der Verbraucher macht lediglich von dem ihm zustehenden Recht aus § 355 BGB a. F. Gebrauch.

Dass der Verbraucher nicht unredlich diese Rechtsstellung erlangt hat, sondern gerade die Tatsache, dass der Gesetzgeber dem Verbraucher diese Rechtsstellung verschaffen wollte, ist ein Beleg dafür, dass hier keine unzulässige Rechtsausübung vorliegen kann. Es zeigt sich hier erneut, dass hier der Einwand aus § 242 BGB bereits wegen einer abschließenden Sonderregelung ausgeschlossen ist.

Der Verbraucher übt kein „Mehr“ an Recht aus.

Eine Verletzung eigener Pflichten ist liegt nicht vor, vielmehr hat die Bank ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Belehrung verletzt.

Die Anwendung des ewigen Widerrufsrechts führt auch nicht zu einem untragbaren Ergebnis. Die Bank erhält schließlich die Darlehenssumme nebst Nutzungsersatz zurück.

Den Widerruf hier für rechtsmissbräuchlich zu befinden stellt eine übermäßige und auch offensichtlich nicht gewollte Beschneidung des Widerrufsrechts dar. Eine solche Beschneidung des Widerrufsrechts stellt zugleich eine Einschränkung des Verbraucherschutzrechtes dar, welche der Gesetzgeber bei einer Gesamtbetrachtung der verbraucherschützenden Vorschriften so nicht gewollt haben kann.

Wir möchten auch auf die Entscheidungen des BGH vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08 - und vom 23.06.2009 - XI ZR 156/08 - hinweisen. In diesen Fällen musste das beklagte Bankhaus das Insolvenzrisiko der Fondsgesellschaft tragen, da im Rahmen der Rückabwicklung einer finanzierten Fondsbeteiligung der Darlehensnehmer nur die Abtretung der Fondsbeteiligung schuldet, Zug um Zug gegen Rückzahlung seiner Zins- und Tilgungsleistungen auf das Darlehen. Die Verträge wurden jeweils widerrufen, nach dem die Fondsgesellschaft insolvent wurde. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten wurde jedoch in den Verfahren nicht festgestellt. Auch dies zeigt, dass hier ein bloßer Rechtsgebrauch vorliegt.

Es bleibt also festzuhalten, das Widerrufsrecht des Verbrauchers unterliegt weder dem Einwand der Verwirkung noch dem Einwand des Rechtsmissbrauchs.

Ein solcher Rechtsmissbrauch könnte nur in Ausnahmefällen vorliegen, etwa wenn es der Bank gelänge nachzuweisen, dass es dem Verbraucher lediglich auf eine Schädigung der Bank ankommt.

Diejenigen Verbraucher, die von ihrer Bank gesagt bekommen haben, ihr Widerrufsrecht wäre bereits verwirkt und eine Ausübung des Widerrufsrechts darüber hinaus rechtsmissbräuchlich sollten sich hiervon nicht abschrecken lassen.

Vielmehr sollten diese Verbraucher ihre Bank fragen, warum sie keine ordnungsgemäße Nachbelehrung vornimmt und rechtskundige Hilfe in Anspruch nehmen.

Alexander Münch
Alexander Münch

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.

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