22. März 2017

Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung: Kein Darlehen bei drei Kindern?

Ein junges Paar möchte ein Darlehen für ein Eigenheim. Der Kundenberater fragt: „Möchten Sie Kinder haben?
Das Paar antwortet: „Ja, wir wollten in den nächsten 10 Jahren 3 Kinder bekommen.
Darauf der Kundenberater: „Tut mir leid, dann können wir Ihnen kein Darlehen gewähren!“.

Ein solcher Dialog ist durchaus denkbar. Der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 21.03.2016 wesentliche Änderungen des Verbraucherdarlehensrechts zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften in Kraft gesetzt. Seither gilt für die Banken die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung:

„§ 505a BGB Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung bei Verbraucherdarlehensverträgen

(1) Der Darlehensgeber hat vor dem Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers zu prüfen. Der Darlehensgeber darf den Verbraucherdarlehensvertrag nur abschließen, wenn aus der Kreditwürdigkeitsprüfung hervorgeht, dass bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag keine erheblichen Zweifel daran bestehen und dass es bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag wahrscheinlich ist, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag stehen, vertragsgemäß nachkommen wird.“

Wer nun denkt, eine solche Prüfung sei doch nichts Neues, der irrt sich hier. Bisher erfolgte jede Prüfung, die eine Bank bei der Vergabe eines Darlehens an einen Verbraucher vorgenommen hat, ausschließlich im Interesse der Bank. Es hat dem Verbraucher oblegen zu prüfen, ob er sich das Darlehen wirklich leisten kann. Fiel die Prüfung negativ aus und vergab die Bank dennoch ein Darlehen an einen Verbraucher, so resultierte hierdurch jedenfalls keine direkte gesetzliche Sanktion für die Bank. Dies hat der Gesetzgeber nun geändert.

Die Bank muss prüfen und feststellen, dass „keine erheblichen Zweifel daran bestehen“, dass der Verbraucher seinen Darlehensverpflichtungen nachkommen kann. Für einen Immobiliar-Darlehensvertrag, also einen Vertrag der durch ein Grundpfandrecht gesichert ist, oder der dem Erwerb oder der Erhaltung des Eigentumsrechts an Grundstücken dient (vgl. § 491 Abs. 3 BGB), muss durch die Prüfung hervorgehen, dass es „wahrscheinlich ist“, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nachkommt.

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers hat die Kreditwürdigkeitsprüfung anhand von:

  • Auskünften des Darlehensnehmers und
  • Auskünften aus Auskunfteien

zu erfolgen.

Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen hat der Darlehensgeber die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers auf der Grundlage notwendiger, ausreichender und angemessener Informationen zu Einkommen, Ausgaben sowie anderen finanziellen und wirtschaftlichen Umständen des Darlehensnehmers eingehend zu prüfen. Dabei hat der Darlehensgeber die Faktoren angemessen zu berücksichtigen, die für die Einschätzung relevant sind, ob der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag voraussichtlich nachkommen kann. Die Kreditwürdigkeitsprüfung darf nicht hauptsächlich darauf gestützt werden, dass der Wert des Grundstücks, Gebäudes oder grundstücksgleichen Rechts voraussichtlich zunimmt oder den Darlehensbetrag übersteigt (vgl. § 505b BGB).

Dabei sind bei der Bewertung von Wohnimmobilien zuverlässige Standards anzuwenden (vgl. § 505c Nr. 1 BGB).

Verstößt der Darlehensgeber gegen eine dieser Pflichten, kann dies zu einer harten Sanktion führen:

„(2) Kann der Darlehensnehmer Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag stehen, nicht vertragsgemäß erfüllen, so kann der Darlehensgeber keine Ansprüche wegen Pflichtverletzung geltend machen, wenn die Pflichtverletzung auf einem Umstand beruht, der bei ordnungsgemäßer Kreditwürdigkeitsprüfung dazu geführt hätte, dass der Darlehensvertrag nicht hätte geschlossen werden dürfen.“ (§ 505d Abs. 2 BGB)

Auf den ersten Blick sehen die Vorgaben doch ganz vernünftig aus. Die Bank soll sicherstellen, dass der Verbraucher das Darlehen zurückzahlen kann. Die Entstehung einer Immobilienblase soll verhindert werden. Wie dies zu geschehen hat, hat der Gesetzgeber gleich mitgeregelt.

Wer aber nochmal genau nachliest wird feststellen, dass der Gesetzgeber eben nicht konkret geregelt hat, wie eine solche Prüfung zu erfolgen hat.

Wann ist es denn „wahrscheinlich“, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nachkommt. Wie wahrscheinlich muss es denn sein? Was sind denn notwendige, ausreichende und angemessene Informationen zu Einkommen, Ausgaben sowie „anderen finanziellen und wirtschaftlichen Umständen“? Und wann liegt ein ausreichendes Einkommen vor? Muss dies nur gesichert sein, also beispielsweise ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestehen oder muss das Einkommen in einem bestimmten Verhältnis zur Darlehenshöhe stehen? Muss die Bank, wie in unserem Beispiel, von nun an den Darlehensnehmer nach seinen Kinderwünschen fragen, um sicherzustellen, dass auch „andere finanzielle und wirtschaftliche Umständen“ hinreichend berücksichtigt wurden?

Bleiben wir bei unserem fiktiven Dialog zwischen dem Kundenberater und dem jungen Paar, dem auf Grund des Kinderwunsches das Darlehen für das Eigenheim verwehrt wurde. Denn für den Kundenberater stellt sich die Situation wie folgt dar: Ein junges Paar, beide nach dem Studium und möglicherweise im zweiten oder dritten Berufsjahr. Wenn die beiden nun 3 Kinder in den nächsten 10 Jahren bekommen wollen, dann kann man davon ausgehen, dass ein Kind bis zum 18. Lebensjahr ca. 130.000,- € kosten wird. Darf die Bank jetzt noch davon ausgehen, dass die Darlehensrückzahlung „wahrscheinlich ist“? Drei Kinder in 10 Jahren, da dürfte es auch unwahrscheinlich sein, dass beide Elternteile berufstätig bleiben werden.

Muss die Bank nicht ohnehin in die Risikobewertung einstellen, dass einer der Darlehensnehmer arbeitslos wird? Führt dies dann nicht gleich zu einer Benachteiligung ganzer Berufsgruppen, die beispielsweise starken saisonalen Schwankungen unterliegen? 

In wie weit muss die Bank Schwankungen der Kapitalmärkte berücksichtigten? Aus heutiger Sicht ist es doch eher wahrscheinlich, dass bis zu einer Anschlussfinanzierung der Leitzins wieder gestiegen sein dürfte.

Dass die Immobilie zur Absicherung des Darlehens völlig ausreichend ist, darf die Bank nicht überwiegend zugrunde legen.

Der Gesetzgeber hat eine Vielzahl von sogenannten unbestimmten Rechtsbegriffen verwendet („wahrscheinlich ist“, „anderen finanziellen und wirtschaftlichen Umständen“, „Bewertung von Wohnimmobilien zuverlässige Standards“). Es ist im Voraus eigentlich nicht möglich, bereits sicher zu bestimmen, ob eine Bank tatsächlich alle Voraussetzungen die das Gesetz bei der Kreditwürdigkeitsprüfung stellt, auch erfüllt hat. Letztlich wird es Aufgabe der Gerichte bleiben, die unbestimmten Rechtsbegriffe auszulegen und so Rechtssicherheit zu schaffen.

Erst in der Nachschau wird sich daher beantworten lassen, ob die Banken die Vorgaben des Gesetzes richtig in die Praxis umgesetzt haben. Es ist daher sogar aus der Sicht der Verbraucherschützer verständlich, dass die Banken seit in Kraft treten der Regelungen eher zurückhaltend bei der Vergabe von Darlehen geworden sind.

Einige Verbraucher dürften die deutlich restriktivere Kreditvergabe bereits zu spüren bekommen haben. Wer vor dem 21.03.2016 mit einem durchschnittlichen Einkommen als kreditwürdig galt, kann plötzlich arge Probleme bekommen, eine Immobilienfinanzierung zu erhalten.         

Der beabsichtigte Verbraucherschutz birgt hier zugleich die Gefahr, dass der Verbraucher trotz der derzeitigen Niedrigzinsphase keine Chance mehr hat, durch einen Immobilienerwerb eigene Altersvorsorge zu betreiben.

Auf der anderen Seite hat der Verbraucher nun die Chance die Bank mit in die Haftung zu nehmen, wenn das Projekt Eigenheim scheitert.

Die neu eingeführten Vorschriften werden in den kommenden Jahren Anwälte und Gerichte beschäftigen.

Wir sind hier schon auf die ersten Fälle gespannt und beraten Sie gerne zu diesem Thema.

Übrigens…

Verbraucher, die an dieser Thematik interessiert sind, konnten sich in den Medien bereits über die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in das nationale Recht, insbesondere in dem Zusammenhang mit der zeitlichen Begrenzung des Widerrufsrechts informieren.

Das vorher zeitlich unbegrenzt bestehende Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen wurde für Immobiliardarlehensverträge die vor dem 10.06.2010 geschlossen wurden begrenzt. Der Widerruf solcher Altverträge war nach in Kraft treten der Gesetzesänderung nur noch bis zum 21.06.2016 möglich. Für welche Verträge das „ewige Widerrufsrecht“ noch weiter fortbesteht, können Sie hier und hier (Link zu dem Artikel vom So., 11.12.2016) nachlesen.

Alexander Münch
Alexander Münch

Rechtsanwalt aus der Anwaltskanzlei Lenné.

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